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Medikamentenmissbrauch: Lepra-Mittel bei Milosevic festgestellt

Der am Samstag gestorbene jugoslawische Ex-Präsident Slobodan Milosevic hat möglicherweise für ihn schädliche Arzneien eingenommen. Das hat ein niederländischer Toxikologe bestätigt.

Den Haag/Belgrad - Wie am Montag bestätigt wurde, haben Mediziner schon vor Wochen in seinem Blut Spuren eines Medikamentes gegen Lepra und Tuberkulose festgestellt. Dieses Mittel kann die Medizin gegen Bluthochdruck und Herzprobleme unwirksam machen, die Milosevic von seinen behandelnden Ärzten verschrieben wurde. Niederländische Mediziner hatten bei einer Obduktion am Sonntagabend einen Herzinfarkt als Todesursache festgestellt.

Der im UN-Kriegsverbrechergefängnis von Den Haag gestorbene Milosevic soll in Belgrad begraben werden. Das teilte der Anwalt der Familie Zdenko Tomanovic am Montag in Den Haag mit. Am Abend bestätigte das niederländische Außenministerium, dass Milosevics Sohn Marko ein Visum zur Einreise in die Niederlande erhalten habe. Der Milosevic-Sohn wolle den Leichnam seines Vaters am Dienstagnachmittag in Den Haag in Empfang nehmen, berichtete der gut informierte Belgrader Sender B92. Zuvor hatte Marko Milosevic (32) von den Behörden seiner Heimat Sicherheitsgarantien für die Beerdigung des Vaters in Belgrad gefordert. Offizielle Stellen in der serbischen Hauptstadt wandten sich gegen jede Ehrenbezeugung für den früheren Staatschef.

Der Leichnam Milosevics befand sich am Montag noch im gerichtsmedizinischen Institut in Den Haag. Nach der Obduktion sollen Laboruntersuchungen Auskunft darüber geben, ob sich im Körper Milosevics giftige Stoffe befanden. Wann die Ergebnisse vorliegen, war am Montag noch nicht bekannt.

Ein niederländischer Toxikologe, Donald Uges von der Universität Groningen, der vor Wochen Milosevics Blut untersucht hatte, bestätigte Berichte, dass es Spuren eines Antibiotikums zur Behandlung von Lepra und Tuberkulose enthalten habe. Milosevic litt an keiner dieser Krankheiten. Völlig unklar blieb, ob Milosevic das Lepra-Mittel freiwillig genommen hat und wie er es sich im Gefängnis hätte besorgen können.

Milosevic-Anwalt Tomanovic hat nach eigenen Worten bei einem Belgrader Gericht die Aufhebung des internationalen Haftbefehls gegen die Milosevic-Ehefrau Mirjana Markovic beantragt, damit sie an der Beerdigung teilnehmen kann. Eine Gerichtsentscheidung wurde erst für Dienstag erwartet. Als wichtige Voraussetzung dafür stimmte am Montag die Staatsanwaltschaft einer Aufhebung eine angeordneten Untersuchsuchungshaft und des internationalen Haftbefehls zu. Markovic ist wegen Amtsmissbrauchs angeklagt. Gleichzeitig wird sie im Zusammenhang mit dem Mord an Ivan Stambolic, einem Gegner ihres Mannes, gesucht. Ein Gericht hatte festgestellt, dass ihre Familie hinter diesem Auftragsmord im Jahr 2000 steht.

In Belgrad entbrannte ein Streit um den Rahmen der Trauerfeier. Die Stadtverwaltung lehnte die Beerdigung in einem Ehrengrab ab, wie es von der Sozialistischen Partei Milosevics verlangt worden war. Der Oberste Verteidigungsrat untersagte als Oberbefehlshaber der Armee von Serbien-Montenegro, an der Bestattung in irgendeiner Form teilzunehmen. Die Sozialisten, von denen der Bestand der serbischen Republiksregierung abhängt, hatten eine Beerdigung mit allen staatlichen Ehrenbezeugungen gefordert.

Der ebenso wie die Witwe in Moskau lebende ältere Bruder von Milosevic, Borislav, wurde in der Nacht zum Montag wegen Herzproblemen in ein Spezialkrankenhaus gebracht. Er sagte der Agentur Interfax, er werde derzeit im Bakulew-Herzzentrum untersucht. «Ich habe mich heute Nacht unwohl gefühlt, aber es war kein Infarkt.» Auch Slobodan Milosevic hatte sich im Bakulew-Krankenhaus behandeln lassen wollen. Doch das UN-Tribunal ließ ihn wegen Fluchtgefahr nicht nach Moskau reisen.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow verlangte eine Beteiligung Moskauer Ärzte an den Forschungen zur Todesursache Milosevics. Er bestätigte zugleich, dass Milosevic das russische Außenministerium in einem Brief vom 8. März drei Tage vor seinem Tod um Hilfe gebeten habe. «Er äußerte darin die Besorgnis, dass einige medizinische Behandlungen, die ihm von Ärzten des Internationalen Jugoslawien-Tribunals verabreicht worden seien, für seine Gesundheit verhängnisvoll seien», sagte Lawrow nach Angaben der Agentur Interfax.

Die Belgrader Regierung rief unterdessen die EU und die USA auf, ihre Politik gegenüber Serbien zu ändern. In diesem «schwierigen» Augenblick für Serbien sollten die Europäische Union und die Vereinigten Staaten auf den andauernden Druck wegen der unzureichenden Zusammenarbeit mit dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag verzichten, sagte Vuk Draskovic, Außenminister von Serbien- Montenegro, in Belgrad. (tso/dpa)

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