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Politik: Mehr als eine Niederlage

Neuauflagen von Rot-Rot sind nicht selbstverständlich – ein Rückschlag für die Linkspartei/PDS

Berlin - Gregor Gysi hat Rot-Rot groß gemacht, und als er am Sonntagabend zu den Anhängern seiner Partei auf dem Berliner Schloßplatz spricht, versucht er erst gar nicht, etwas schönzureden. „Es ist eine bittere Niederlage“, sagt er mit Blick auf das Abschneiden der Linkspartei in Berlin. Er verschweigt auch nicht, dass die rot-rote Koalition in Schwerin einen Dämpfer bekommen hat, selbst wenn sich die PDS dort behaupten konnte. Was den Vorsitzenden der Linksfraktion im Bundestag richtig schmerzt: Die beiden einzigen rot-roten Koalitionen, die es überhaupt im Lande gibt, stehen auf dem Spiel – das ergibt sich nicht nur aus der Auszählung der Stimmen, sondern auch aus den Aussagen der SPD-Regierungschefs Klaus Wowereit und Harald Ringstorff, die sich keineswegs auf ihre linken Genossen festlegen lassen wollen.

Die pragmatische Führung der Linkspartei, in der Gysi eine zentrale Rolle spielt, will, dass die rot-roten Regierungen im Amt bleiben. Schon vor zwei Jahren hatte sich die PDS auf einem Parteitag in Potsdam auf ein „strategisches Dreieck“ festgelegt – zwischen Protest, Gestaltungsanspruch und demokratisch-sozialistischen Alternativen über die bestehenden Verhältnisse hinaus. Die Regierungsbeteiligungen sollten, so mindestens wollen es die Pragmatiker in der Partei, auf mittlere Sicht den Weg eröffnen, eine linke Mehrheit aus SPD, Grünen und Linkspartei auch im Bund an die Macht zu bringen. Es geht also um weit mehr als nur um eine Niederlage für den Berliner Linkspartei-Spitzenkandidaten und Wirtschaftssenator Harald Wolf, der nicht an den Wahlerfolg seines Vorgängers Gysi anknüpfen konnte, es geht auch um mehr als die Scharmützel mit der WASG, die in Konkurrenz zur PDS angetreten war. Es sei für die neue Linke „ganz wichtig, in allen politischen Konstellationen tätig zu sein“, betont etwa Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau, frühere PDS-Chefin von Berlin. Doch mit Bangen erwarten die Reformer nun jene Debatte über den Sinn des Mitregierens, die schon x-mal geführt wurde. Unter anderem hatte die Basis der WASG, denen das pragmatische Mitregieren der PDS ein Dorn im Auge ist, das Thema im Rahmen der anstehenden Programmdebatte ansprechen wollen. Nun aber wird der Druck zunehmen, es der SPD in den Regierungen nicht zu leicht zu machen. Vorsichtshalber sagt Gysi deshalb, stets gelte es, zu überprüfen, was in einer Regierungsbeteiligung erreicht werden kann. Und sonst: „Man muss auch Nein sagen können.“ Ganz ähnlich sieht es Bodo Ramelow, der Beauftragte für die Fusion von Linkspartei und WASG: Zwar sieht er im Ausgang der Wahlen keine Abwahl der rot-roten Regierungen, hält aber zugleich fest, die Regierungsbeteiligungen dürften „nicht mehr“ als Selbstzweck betrachtet werden. Strategisch aber stehen die Sozialisten in beiden Ländern vor einem Dilemma: Trumpfen sie zu doll auf, kann die SPD sofort mit einem anderen Koalitionspartner drohen. Die Hinweise, man habe doch früher so verlässlich zusammengearbeitet und miteinander gekonnt, helfen dann nicht weiter.

Gefestigt steht die Linke nach diesem Wahlsonntag nicht da. Die geplante Bildung einer neuen gemeinsamen Partei aus WASG und der Linkspartei/PDS erweist sich eher als zermürbender denn als munterer Prozess. Von der „historischen Chance“ des Linksbündnisses, die Oskar Lafontaine mal beschworen hatte, redet keiner mehr. Lafontaine selbst übrigens war am Wahlabend daheim im Saarland, erst an diesem Montag will er den Genossen in der Bundestagsfraktion seine Sicht auf die Dinge erläutern. Dass er selbst Mitverantwortung für das Debakel übernimmt, ist kaum zu erwarten. Im Gegenteil: Auch Lafontaine ist gar nicht eindeutig für die Beteiligung der Linkspartei an Regierungen, und eine linke Mehrheit im Bund sieht er nicht. Doch mit Lafontaine als designiertem Linkspartei-Vorsitzenden würden sich SPD und Grüne ohnehin nicht einlassen.

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