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Politik: Merkel geht auf Abstand zu Kohl, Schäuble entfernt sich von Merkel

Manchmal ist es wichtiger zu wissen, wer nicht da war. Norbert Blüm hat zum Beispiel gefehlt bei dieser zweiten Krisensitzung des CDU-Präsidiums binnen zwei Wochen in Bonn.

Von Robert Birnbaum

Manchmal ist es wichtiger zu wissen, wer nicht da war. Norbert Blüm hat zum Beispiel gefehlt bei dieser zweiten Krisensitzung des CDU-Präsidiums binnen zwei Wochen in Bonn. Auch Erwin Teufel war nicht im Konrad-Adenauer-Haus, Matthias Wissmann nicht und Bernhard Vogel, Alfred Dregger und Eberhard Diepgen. Roland Koch hat sich entschuldigt und Rainer Eppelmann. Jeder Einzelne mag gute Gründe gehabt haben dafür, dass er zwei Tage vor Heiligabend nicht an den Ort gekommen ist, wo die CDU 16 Regierungsjahre lang Triumphe gefeiert und Niederlagen verarbeitet hat. Aber das Ergebnis war bemerkenswert: Die CDU-Spitze hat am Mittwoch ohne die alten Verteidiger und Anhänger von Helmut Kohl getagt.

Der war natürlich nicht da. Er muss auch gewusst haben, was ihm dort bevorstehen würde. Am Montag hat Kohl in Berlin mit dem Wirtschaftsprüfer Hollweg gesprochen. Hollweg, Mitarbeiter der Kanzlei Ernst und Young, prüft im Auftrag der CDU das verschlungene System schwarzer Kassen und illegaler Spenden unter dem Parteivorsitzenden Kohl.

Das, was die Partei derzeit am meisten interessiert, hat der Altkanzler hartnäckig verschwiegen: Die Namen jener Leute, die ihm nach eigener Aussage insgesamt bis zu zwei Millionen Mark in bar zugeschustert haben. Hollweg hat kurz nach dem Gespräch den CDU-Chef Wolfgang Schäuble und Generalsekretärin Angela Merkel unterrichtet.

Am Mittwochmorgen strebt der Rest des CDU-Präsidiums zügig in die Sitzung. Die Damen und Herren sind recht schweigsam. Ob sie schon die FAZ gelesen hätten? "Joooo", brummelt Peter Müller. Angela Merkel hat einen Text verfasst und der Frankfurter Allgemeinen angeboten. Der Beitrag enthält Sprengstoff. "Die von Helmut Kohl eingeräumten Vorgänge haben der Partei Schaden zugefügt", konstatiert die Generalsekretärin.

Das hat so klar noch keiner öffentlich gesagt. Auch andere Sätze nicht: "Ein Wort zu halten und über Recht und Gesetz zu stellen, mag vielleicht bei einem rechtmäßigen Vorgang noch verstanden werden, nicht aber bei einem rechtswidrigen", schreibt Merkel. Und: "Vielleicht ist es nach einem langen politischen Leben, wie Helmut Kohl es geführt hat, wirklich zu viel verlangt, von heute auf morgen alle Ämter niederzulegen."

Für Merkels Beitrag, sagt Wolfgang Schäuble später in der Pressekonferenz kühl, hätten im Präsidium einige "sehr gedankt", andere dazu kritische Anmerkungen gemacht. Die Generalin sitzt neben ihm auf dem Podium und hört schweigend zu, wie der Parteichef auf Distanz geht. "Wir sind nicht immer einer Meinung, aber immer auf einem Weg", sagt er. "Es ist ihr Beitrag und nicht meiner." Schäuble hat den Text vor der Veröffentlichung nicht gekannt. In der Sitzung haben etliche Präsidiumsmitglieder Merkel gescholten: dass sie die Partei aufgerufen hat, sich "wie jemand in der Pubertät" vom Übervater Kohl zu lösen, fand zum Beispiel Volker Rühe wenig witzig, weil es die Heutigen in der CDU in ein falsches Licht stelle.

Dabei bestand in dem Gremium ansonsten in einem Punkt durchaus Einigkeit: Das Verständnis für Kohl hat klare Grenzen. Einstimmig beschließen die Anwesenden, den Ehrenvorsitzenden jetzt öffentlich unter Druck zu setzen. Schäuble liest die Resolution vor: Die CDU-Spitze erwartet von allen Mitwissern, dass sie ihr Wissen den Wirtschaftsprüfern offenbaren. Schäuble habe Kohl gebeten, die Namen der Spender offen zu legen. "Das Präsidium erwartet, dass Helmut Kohl dieser Bitte nachkommt. Dies ist erforderlich, um weiteren Schaden von der Partei abzuwenden." Es sei ja, fügt Schäuble fast entschuldigend an, keine unziemliche Bitte.

Tatsächlich ergibt der Zwischenbericht der Wirtschaftsprüfer, dass nur Kohl oder die Spender selbst diesen Schaden abwenden könnten: Kein Dritter, sagt der Parteivorsitzende Schäuble, habe nach Aussagen der Beteiligten die Namen der Geldgeber gekannt. Und was da von welchem Konto auf welches andere Konto verschoben worden ist, lässt sich offenbar nicht mehr lückenlos nachvollziehen.

Je tiefer die Prüfer graben, desto mehr Zwischenkonten fördern sie zu Tage - ein Dschungel, in dem sich illegales Bargeld in scheinbar legale "sonstige Einnahmen" der CDU verwandelte. Zwischen 1993 und 1998 sind bis jetzt 2,87 Millionen Mark ungeklärter Herkunft nachweisbar. Gut 1,1 Million kamen 1997 zusätzlich von der Fraktion - legales Geld, wie Schäuble betont, auch legal der Partei überwiesen.

Wieso der Fraktionsgeschäftsführer Joachim Hörster die Summe indes in bar abhob und das Geldköfferchen obendrein nicht der Schatzmeisterin gab, sondern Kohls allgewaltigem Geldeintreiber Hans Terlinden im Adenauer-Haus - das, sagt der damalige Fraktionschef Schäuble, wisse er nicht. Und noch etwas weiß er nicht: Wo das Geld, nachdem es im Konten-Dschungel verschwunden war, wieder aufgetaucht ist.

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