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Politik: Merkel will Milliarden für Versicherte

Steuermehreinnahmen sollen Lohnnebenkosten senken / SPD möchte dagegen weniger Neuverschuldung

Von
  • Robert Birnbaum
  • Antje Sirleschtov

Berlin - Im Streit über die Verwendung möglicher Steuermehreinnahmen will Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erreichen, dass die Lohnnebenkosten stärker gesenkt werden als geplant. In Regierungskreisen hieß es am Mittwoch in Berlin, beim Finanzgipfel der Koalition am Freitag solle eine Verständigung in diese Richtung erzielt werden. Merkel bekam Unterstützung von CSU-Chef Edmund Stoiber, muss allerdings mit Widerstand der SPD rechnen. SPD-Chef Kurt Beck äußerte sich in der „Financial Times Deutschland“ skeptisch über Merkels Vorschlag, mit Mehreinnahmen den Anstieg der Krankenkassenbeiträge abzumildern.

Auch Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) warnte davor, das Geld vorschnell zu verplanen. Sein Sprecher Torsten Albig sagte, die sich abzeichnenden Steuerüberschüsse würden gerade einmal ausreichen, um die Risiken im Haushalt 2007 abzudecken. Der Arbeitskreis Steuerschätzung legt heute seine neuen Zahlen vor. Erwartet wird ein deutliches Steuerplus für Bund, Länder und Kommunen. Im Vergleich zur Mai-Schätzung soll es rund 20 Milliarden Euro für dieses Jahr betragen und bis zu 15 Milliarden Euro für nächstes Jahr. Hinzu kommt, dass die Bundesagentur für Arbeit (BA) in diesem Jahr voraussichtlich elf Milliarden Euro Überschuss erzielt. Der Finanzgipfel auf Ebene der Ministerien und Fraktionen trifft sich am Freitagmorgen.

Regierungssprecher Ulrich Wilhelm sagte, von „höchster Priorität“ sei für die gesamte Regierung das Ziel, wieder einen verfassungsgemäßen Haushalt vorlegen zu können. Wenn es darüber hinaus Spielraum gebe, sei es Konsens in Regierung und Koalitionsparteien, dass die Senkung der Lohnnebenkosten auch „große Priorität“ habe. Die letzte Entscheidung über den Haushalt liege aber beim Parlament.

Der frühere Finanzminister und SPD- Bundestagsabgeordnete Hans Eichel forderte die Regierung auf, mit Steuermehreinnahmen die Neuverschuldung stärker zu begrenzen. „Wir haben nichts zu verteilen“, sagte Eichel dem Tagesspiegel. Der Bund sei „meilenweit von einem ausgeglichenen Haushalt“ entfernt und müsse deshalb die Steuermehreinnahmen „restlos in den Abbau der Neuverschuldung“ stecken. „Offenbar haben viele Politiker und Interessenvertreter dieses Ziel gar nicht im Blick“, sagte Eichel. Obwohl die Wirtschaft in diesem Jahr boome, verletzte Deutschland erneut die Verschuldensgrenze des Grundgesetzes. „Das zeigt, wie absurd die gegenwärtigen Verteilungsdebatte ist.“ Eichel mahnte, die Bestimmungen des reformierten EU-Stabilitätspakts nicht aus dem Auge zu verlieren. Deutschland sei verpflichtet, die strukturelle Neuverschuldung jedes Jahr um ein halbes Prozent zu senken, wenn es nicht erneut Ärger mit der EU-Kommission haben wolle.

FDP-Chef Guido Westerwelle erneuerte die Forderung, auf die Mehrwertsteuererhöhung zu verzichten. „ Steuern gehören den Bürgern, die sie zahlen“, sagte er. Die große Koalition solle deshalb sprudelnde Einnahmen nutzen, um das Geld den Bürgern zurückzugeben, indem sie auf die Mehrwertsteuererhöhung verzichte. Das stärke die Wirtschaft und verhindere, dass im kommenden Jahr das Wachstum einbricht. „Nur das trägt zur nachhaltigen Erholung des Bundeshaushalts bei.“

Der Deutsche Städtetag appellierte an den Bund, sich 2007 höher an den Unterkunftskosten für Langzeitarbeitslose zu beteiligen als in diesem Jahr. „Die Städte hoffen darauf, dass der Bund wie angekündigt seine zu erwartenden deutlichen Steuermehreinnahmen auch dafür einsetzt, die Haushaltsrisiken bei Hartz IV und den Unterkunftskosten zu decken“, sagte Städtetags-Hauptgeschäftsführer Stephan Articus dem Tagesspiegel. Dafür sei eine Bundesbeteiligung in Höhe von 5,8 Milliarden Euro erforderlich.

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