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Politik: Michel Friedman: Vizepräsident des Zentralrats der Juden fordert einen "Aufstand der Zuständigen"

Der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Michel Friedman, hat sich empört über das Urteil des Landgerichts Kempten geäußert, wonach er als "Zigeunerjude" bezeichnet werden darf. "Das ist ein unerträgliches Fehlurteil", sagte Friedman dem Tagesspiegel am Dienstag.

Der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Michel Friedman, hat sich empört über das Urteil des Landgerichts Kempten geäußert, wonach er als "Zigeunerjude" bezeichnet werden darf. "Das ist ein unerträgliches Fehlurteil", sagte Friedman dem Tagesspiegel am Dienstag. "Das Gericht wird seiner Schutzfunktion gegenüber den Opfern nicht gerecht." Das Urteil sei eine Ermutigung an Rechtsradikale, auf dem Weg der persönlichen Beleidigungen weiterzugehen. Friedman forderte, zu dem vom Bundeskanzler geforderten "Aufstand der Anständigen" müsse ein "Aufstand der Zuständigen" kommen.

Die zuständige Staatsanwaltschaft legte am Dienstag Revision ein. Am Montag hatte das Landgericht Kempten den früheren Republikaner-Vorsitzenden im Oberallgäu, Hermann Josef Reichertz, vom Vorwurf der Beleidigung freigesprochen. Reichertz hatte Friedman als "Zigeunerjuden" bezeichnet. Das Gericht sah darin eine zulässige Meinungsäußerung. "Jude ist das schlimmste Schimpfwort, das Rechtsradikale überhaupt verwenden. Dagegen ist Drecksau noch freundlich gemeint", sagte Friedman.

Der Zentralratsvorsitzende Paul Spiegel bezeichnete das Urteil am Dienstag als "Offenbarungseid der deutschen Justiz". Spiegel sagte der "Allgemeinen Jüdischen Wochenzeitung", der Freispruch legalisiere rassistische Hetze und ermutige Rechtsradikale, die Reizschwelle weiter zu verringern. "Wenn Juristen einen solch eklatanten und eindeutigen Angriff auf die Menschenwürde als zulässige Meinungsäußerung gelten lassen, dann sind Versuche im Kampf gegen Menschenfeindlichkeit und damit Rassismus und Antisemitismus vergebens."

Der Präsident des Kemptener Landgerichts, Edgar Vavra, räumte ein, dass die Entscheidung des Gerichts zweifelhaft ist. "In diesem schwierigen Bereich hätte man sich auch eine andere Entscheidung vorstellen können", sagte er dem Tagesspiegel. Die schriftliche Begründung des Urteils werde frühestens in zwei Wochen vorliegen. Der zuständige Richter sei nach der Verkündung in den Urlaub abgereist.

Fatina Keilani

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