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Vorstoß von Brandenburgs Innenminister Stübgen: FDP-Vize Kubicki offen für Debatte über Abschaffung des Asylrechts
Das Thema Migration erhitzt die Gemüter in Deutschland, in Brandenburg ist Wahlkampf. Der Landesinnenminister plädiert für einen harten Kurs. Und erfährt Unterstützung – von den Liberalen.
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Die deutsche Politik diskutiert intensiv über verschärfte Maßnahmen in der Migrationspolitik. Nachdem sich dabei als einer der ersten der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) für eine Abschaffung des im Grundgesetz verankerten Grundrechts auf Asyl ausgesprochen hatte, plädierte am Donnerstag auch Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU für einen solchen Schritt – und erhielt Unterstützung von FDB-Bundesvize Wolfgang Kubicki.
Stübgen, derzeit Vorsitzender der Innenministerkonferenz (IMK), hatte dem „Handelsblatt“ gesagt: „Das individuelle Recht auf Asyl ist im Grundgesetz nicht mehr nötig, weil wir nach den Regeln der Genfer Flüchtlingskonvention ohnehin Menschen, die verfolgt werden, Schutz gewähren.“ Stübgen weiter: „Deshalb befürworte ich, im Grundgesetz die Genfer Flüchtlingskonvention als Institutsgarantie zu verankern.“
Wir entscheiden dann, wer in unser Land kommt. Und wir können festlegen, in welchem Ausmaß wir Migranten aufnehmen und integrieren können.

Michael Stübgen, Brandenburgs Innenminister (CDU)
Stübgen macht den Vorschlag wenige Tage vor der Landtagswahl in seinem Bundesland, die auch im Zeichen eines möglichen AfD-Siegs steht. Ohne das Asylrecht wäre es möglich, Flüchtlingskontingente einzuführen, betonte der Innenpolitiker. „Wir entscheiden dann, wer in unser Land kommt. Und wir können festlegen, in welchem Ausmaß wir Migranten aufnehmen und integrieren können.“
Aus der Union waren bereits ähnliche Vorschläge laut geworden. Die Chancen auf eine Grundgesetzänderung schätzt Stübgen aber anscheinend nicht als hoch ein: „Deshalb konzentrieren wir uns jetzt auf das Machbare.“
Stübgen für Ausrufung der nationalen Notlage
Der Minister forderte, eine nationale Notlage auszurufen, damit Schutzsuchende an den Grenzen zurückgewiesen werden könnten. Er sei überzeugt, dass dies rechtlich möglich ist, auch wenn die Zahlen der Neuankömmlinge derzeit rückläufig seien, sagte er der Zeitung. „Die Belastungen sind nicht mehr zu stemmen.“ Damit die Zurückweisungen erfolgreich sind, müssten Verhandlungen mit den Nachbarländern geführt werden.
„Ich würde empfehlen, dass Außenministerin (Annalena) Baerbock etwas weniger nach Israel fliegt und etwas mehr mit unseren Nachbarländern darüber redet, wie damit umgegangen wird, wenn wir eine Notlage erklären“, sagte er mit Blick auf die Grünen-Politikerin. Aus Polen und Österreich war bereits scharfe Kritik an möglichen Zurückweisungen von Asylbewerbern an deren Grenzen zu Deutschland geübt worden, die die Union seit längerem fordert.
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Stübgen fordert diplomatische Beziehungen zu Syrien
Bisher war die Praxis, dass bei Asylbewerbern an den Grenzen festgestellt wird, ob sie bereits in einem anderen EU-Land einen entsprechenden Antrag gestellt haben oder hätten stellen können. Nach dem sogenannten Dublin-Verfahren könnten sie dann mit Einverständnis dieses Landes dorthin zurückgeführt werden. Allerdings wird diese notwendige Zustimmung häufig nicht erteilt, und die Schutzsuchenden bleiben in Deutschland.
Mit Blick auf die Beziehungen zu Syrien forderte Stübgen einen Neustart. „Wenn wir in sichere Gebiete nach Syrien zurückführen wollen, brauchen wir diplomatische Beziehungen“, sagte er dem „Handelsblatt“. „Diplomatie bedeutet, auch mit Regierungen zu verhandeln, die die Menschenrechte nicht ernst nehmen.“ Syriens Machthaber Baschar al-Assad werden Kriegsverbrechen wie der Einsatz von Giftgas und Folter vorgeworfen.
Ich halte diesen Vorschlag jedenfalls nicht von vornherein für falsch oder indiskutabel.
Wolfgang Kubicki, Bundesvize der FDP, zu dem Vorstoß von Michael Stübgen (CDU)
Der Innenpolitiker sagte, der Bürgerkrieg in Syrien sei im Wesentlichen vorbei. Zwar handle es sich nicht um einen Rechtsstaat, es gebe jedoch grundlegende staatliche Ordnungsstrukturen. Andere Länder Europas hätten dort bereits wieder Vertretungen oder Botschaften aufgebaut. Nur die deutsche Bundesregierung unternehme nichts. „Wenn Frau Baerbock der Meinung ist, dass wir nur noch Botschaften in blühenden Rechtsstaaten betreiben sollen, dann können wir 80 Prozent aller Botschaften schließen.“
FDP-Bundesvize Kubicki zeigte Sympathien für die Forderung Stübgens, das bestehende Asylrecht abzuschaffen. „Ich halte diesen Vorschlag jedenfalls nicht von vornherein für falsch oder indiskutabel. Wir haben immer gesagt, dass wir über sachdienliche Vorschläge, die nur mit einer Verfassungsänderung umsetzbar sind, diskutieren werden“, sagte Kubicki dem „HB“.
„Wenn hiermit sowohl der humanitäre Schutz als auch die Beachtung der staatlichen Kapazitätsgrenzen besser als mit der bisherigen Regelung in Einklang gebracht werden können, wäre dies allemal eine ernsthafte Debatte wert.“
Kubicki zeigte sich auch offen für den Vorschlag Stübgens, die deutschen Beziehungen zu Syrien zu normalisieren, um verstärkt Rückführungen abgelehnter Asylbewerber in das Land zu ermöglichen. „Wir müssen uns grundsätzlich von dem infantilen Gedanken verabschieden, dass wir unsere Interessen im Ausland angemessen vertreten können, indem wir ausschließlich mit demokratischen Staaten reden“, sagte Kubicki.
Grünen-Chefin Lang reagiert schockiert auf Stübgen-Ausagen
„Wenn die Ziele der signifikanten Verringerung der Flüchtlingszahlen sowie der Abschiebung nach Syrien mittels einer Umgehung von Präsident Assad erreichbar sind, indem wir zum Beispiel mit den Autoritäten im kurdisch kontrollierten Nordosten Syriens sprechen, sollten wir dies aber selbstverständlich prioritär versuchen.“
Das Asylrecht abzuschaffen – das kennt man sonst von braun-blauen Wahlplakaten.
Janine Wissler, Co-Vorsitzende der Linkspartei
Auch Kubicki kritisierte Baerbock scharf. Die bisherige Linie der Ministerin „hat uns jedenfalls in dieser Frage nicht sonderlich weit gebracht – bisher kenne ich keinen umsetzbaren und ausreichend wirkungsvollen Vorschlag, der darauf hindeutet, dass sie überhaupt eine Reduzierung der Flüchtlingszahlen aus Syrien erreichen will“, sagte er.
Kubicki wies zudem darauf hin, dass mehrere EU-Partnerländer, darunter Österreich, Tschechien oder Italien, vor Kurzem eine Verbesserung der Beziehungen zu Syrien angemahnt hätten, vor allem um die Flüchtlingszahlen zu reduzieren.
Die Co-Chefin der Grünen im Bund, Ricarda Lang, reagierte entsetzt auf Stübgens Vorstoß. Im „ntv Frühstart“ sagte sie: „Ich bin ehrlich gesagt schockiert, wie viele gerade bereit sind, grundgesetzlich verankerte Garantien zu opfern für ein bisschen Wahlkampfgetöse.“ Dadurch erreiche man keine Ordnung in der Migrationspolitik, sondern nur Chaos und menschliches Leid.
Die Linke warf Stübgen vor, AfD-Forderungen zu verbreiten. „Das Asylrecht abzuschaffen – das kennt man sonst von braun-blauen Wahlplakaten“, sagte Linke-Vorsitzende Janine Wissler der Deutschen Presse-Agentur. „Dass die CDU jetzt dieselbe Sprache spricht und Gleiches fordert, ist alarmierend. Innenminister Stübgen gießt Öl ins Feuer des gefährlichen Überbietungswettbewerbs der Union mit der AfD.“
Wissler spielte auf die blaue Parteifarbe der AfD und auf Braun als Symbolfarbe der Nationalsozialisten. „Stübgens Worte untergraben das Grundgesetz und spielen rechtsextremen Tendenzen in die Hände“, sagte sie und warf dem Innenministerium vor, ein Demokratieproblem zu haben. Die AfD hatte bereits 2017 die Abschaffung des individuellen Rechts auf Asyl gefordert.
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