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Als Bedrohung für westliche Piloten im Falle eines Flugverbotes gelten Luftabwehrstellungen am Boden. Diese hier ist aber in der Hand der Opposition.

© Goran Tomasevic/Reuters

Militäreinsatz: Gates: Flugverbotszone bedeutet Angriff auf Libyen

In den USA und Europa wächst die Skepsis gegenüber einem Militäreinsatz in Libyen. US-Verteidigungsminister Gates widerspricht Hillary Clinton, die sich für eine Flugverbotszone ausspricht.

Von
  • Robert Birnbaum
  • Hans Monath

In den westlichen Hauptstädten wächst die Skepsis gegenüber dem Vorschlag, eine Flugverbotszone über Libyen einzurichten. US-Verteidigungsminister Robert Gates kritisierte die Debatte bei einer Anhörung im Kongress am Mittwoch als „loses Gerede“, bei dem sich offenbar viele nicht über die gravierenden Konsequenzen im Klaren seien. „Lasst uns die Dinge beim Namen nennen: Die Einrichtung einer Flugverbotszone bedeutet einen Angriff auf Libyen“, sagte Gates. Dann müsse er als Erstes den Befehl geben, alle libyschen Flugabwehrstellungen durch Luftangriffe auszuschalten, um an der Operation beteiligte Piloten der USA und anderer Nato-Staaten vor einem Abschuss zu schützen.

Gates widersprach damit US-Außenministerin Hillary Clinton, die sich für die Flugverbotszone ausgesprochen hat. Präsident Obamas Sprecher Jay Carney bemühte sich um einen vermittelnden Ton: Die Idee habe „komplexe Folgen“; sie bleibe als „Option auf dem Tisch“. Es gebe da keinen Gegensatz zwischen Gates und Clinton.

In der Bundesregierung in Berlin, im Nato-Hauptquartier in Brüssel und bei den Vereinten Nationen in New York werden ebenfalls starke Bedenken gegen die Ausrufung einer Flugverbotszone genannt. Die Bundesregierung fürchtet vor allem, dass ein Militäreinsatz Gaddafis Propaganda bestärken könnte, wonach der Westen Libyen okkupieren wolle. An militärischen Vorbereitungen für ein Flugverbot will sich Berlin nicht beteiligen. „Wir planen nicht mit“, hieß es in Regierungskreisen. Zudem wird darauf verwiesen, dass für ein Flugverbot ein Beschluss des UN-Sicherheitsrats nötig sei. Russland und China sind bislang nicht bereit, militärische Gewalt zu autorisieren.

Viele Politiker, die keine Regierungsverantwortung tragen, halten dagegen an dem Vorschlag fest. Eine Flugverbotszone könne verhindern, dass Gaddafi die Luftwaffe gegen die Aufständischen einsetze, die bereits einen Großteil des Landes kontrollieren, oder aus der Luft Massaker an Regimegegnern und anderen Zivilisten verüben lasse. Der republikanische Senator John McCain, der zwölf Tage lang durch arabische Staaten mit mächtigen Protestbewegungen gereist war und dort mit Oppositionellen gesprochen hatte, sagte nach der Rückkehr am Mittwochabend in Washington: Es genüge, die Flugverbotszone auszurufen; dann werde „kein libyscher Pilot mehr freiwillig aufsteigen“. Er rechne nicht mit Durchsetzungsproblemen in der Praxis.

In den USA vertreten zudem zahlreiche Politiker und Kommentatoren die Auffassung, das kein UN-Mandat für die Flugverbotszone nötig sei. Als die amerikanische und britische Luftwaffe von 1992 bis 2003 das Flugverbot über dem Irak durchsetzten, habe es auch keine ausdrückliche Autorisierung durch den UN- Sicherheitsrat gegeben, sondern nur das Waffenstillstandsabkommen nach dem ersten Golfkrieg zur Befreiung Kuwaits.

Aus Sicht der Militärs würde die Hauptgefahr für US- und Nato-Piloten nicht von Gaddafis Luftwaffe ausgehen, sondern von den Luftabwehrstellungen am Boden. Libyen verfügt über eine beträchtliche Zahl an SA-6-Systemen: mobile Raketenanlagen sowjetischer Bauart, mit denen es die US-Luftwaffe schon auf dem Balkan und im Irak zu tun hatte. Über Bosnien schoss eine SA-6-Rakete 1995 einen US-Kampfjet ab, auch über dem Irak traf ein Geschoss eine F-16. Das Waffensystem stammt aus den 50er Jahren, was es kurioserweise für heutige Hightech-Armeen besonders gefährlich macht: Die veraltete Technik ist weniger anfällig für elektronische Störangriffe. Deshalb bleibt oft nur der direkte Angriff auf das Abwehrsystem. Ziel ist dabei nicht der Raketenwerfer, sondern das Leitradar, das ebenfalls auf einem Panzerfahrzeug mobil montiert ist, aber getrennt von der Abschussbasis. Sobald die Bodenstation ihr Radar anschaltet, können Awacs-Aufklärer das aus sicherer Höhe erkennen. Die Awacs-Besatzung löst dann den Angriff durch einen Kampfbomber aus, der eine Rakete mit Radarsuchkopf abschießt und die Radarstellung zerstört.

Um die Sicherheit der eigenen Piloten durch rasche Reaktion zu gewährleisten, müsste die US-Luftwaffe also ständig eine große Zahl von Jets und Bombern in der Luft halten. Denn Radarstellungen schalten ihre Suchstrahlen nur kurz an und suchen sich sofort ein neues Versteck. Im Irak war dieses Versteck nicht selten ein Wohngebiet. Selbst im Kosovo- Krieg, als ein vergleichsweise winziges Gebiet zu überwachen war, stellte die serbische Luftabwehr bis zuletzt eine ständige Bedrohung für Nato-Piloten dar.

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