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Politik: „Mindestens das jetzige Niveau sichern“ Die SPD-Linke Hilde Mattheis über künftige Renten

und über die Kandidatenfrage in ihrer Partei.

Frau Mattheis, in den Umfragen legt die Koalition zu, die SPD stagniert bei unter 30 Prozent. Woran liegt das?

Ein wichtiger Grund ist immer noch der Glaubwürdigkeitsverlust der SPD in den Regierungsjahren. Wir haben nach der Wahlniederlage 2009 zwar unseren Kurs in wichtigen Punkten korrigiert und richten uns wieder stärker am Ziel der sozialen Gerechtigkeit aus. Aber das reicht noch nicht. Um Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen, brauchen wir klare politische Aussagen zu Verteilungsfragen und klare politische Schnitte mit alten Irrtümern.

Wie soll die klare Aussage der SPD zur Rente aussehen, die nun ansteht?

Wer lange gearbeitet hat, muss im Alter gut von seiner Rente leben können. Wir müssen den Lebensstandard und mindestens das gegenwärtige Rentenniveau sichern. Wenn das Niveau bis 2030 weiter absinkt, werden Menschen im mittleren und unteren Einkommensbereich in die Armut getrieben. Die SPD muss garantieren, dass sie Menschen vor Altersarmut schützt.

Sie wollen das Rentenniveau auf 51 Prozent einfrieren und nicht, wie bisher vorgesehen, bis 2030 auf 43 Prozent senken?

Ja, das Ziel der Lebensstandardsicherung muss in der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht werden. Und die Erwartung an die SPD ist, dass sie sich klar für eine Stärkung der solidarischen gesetzlichen Rentenversicherung einsetzt. Und die Erwartung ist, dass wir, wie bereits 2009 beschlossen, die Prüfung der rentenpolitischen Maßnahmen seit 2001 vornehmen. Wir brauchen ein Rentenkonzept, hinter dem die ganze Partei steht.

Ihr Rentenvorschlag kostet 20 Milliarden Euro – wie wollen Sie das bezahlen?

Wir sind gegen eine Absenkung der Rentenbeitragssätze, wie die Regierung das vorhat, das vergrößert unseren Spielraum. Wir müssen zur paritätischen Finanzierung durch Arbeitnehmer und Arbeitgeber zurückkehren. Außerdem müssen wir die Einnahmen erhöhen, indem wir die Besserverdienenden ins Boot holen durch eine Erwerbstätigenversicherung. Nicht nur abhängig Beschäftigte zahlen dann in die Rentenkasse ein. Mit einem langsam steigenden Beitragssatz ist dann auch eine sichere Rente im Alter zu finanzieren.

Soll die Rentenfrage in einem Mitgliederentscheid geklärt werden?

Prinzipiell halte ich eine größtmögliche Beteiligung der Partei gerade bei der Rentenfrage für notwendig.

Viele in der SPD sagen, Ihr Renten-Modell könnten weder Steinmeier noch Steinbrück mittragen. Würden beide im Rennen um die SPD-Kanzlerkandidatur beschädigt?

Wir haben vereinbart, erst die Inhalte festzulegen. Personen müssen den Inhalten folgen. Alle Parteitagsbeschlüsse sind bindend, auch unsere Rentenbeschlüsse werden dies sein.

Heißt das auf Deutsch: Wenn Ihr Konzept durchkommt, wären Sie froh, dass Steinbrück deshalb das Handtuch schmeißt?

Es geht nicht darum, ob ich froh bin. Die Rente mit 67 hat die SPD viel Vertrauen gekostet. Wenn uns da eine prinzipielle Korrektur gelingt, werden wir wieder glaubwürdig unser Versprechen der sozialen Gerechtigkeit vertreten können. Die SPD trifft doch nicht politische Entscheidungen, um einem potenziellen Kanzlerkandidaten zu gefallen. Es geht darum, die Zustimmung für die Gesamtpartei zu erhöhen und das Vertrauen von Wählerinnen und Wählern zurück zu gewinnen.

Ist es richtig, die Kandidatenfrage erst Anfang 2013 zu entscheiden?

Im Moment muss man sich an diesen Zeitplan halten, wir haben das im Bundesvorstand so beschlossen. Nachdenken ist aber immer erlaubt. Wenn es Vorstöße gibt, werden wir das im Bundesvorstand diskutieren.

Beim Thema Schuldenkrise erscheint die SPD vor allem als Mehrheitsbeschaffer der Kanzlerin. Wie wollen Sie das ändern?

Wir haben viele gute Vorschläge gegen die Schuldenkrise erarbeitet wie etwa die Finanztransaktionssteuer, die Trennung von Geschäfts- und Investitionsbanken. Wir sind damit aber nicht genug durchgedrungen, wir werden nicht als eigenständige Kraft in der Europapolitik wahrgenommen. Die SPD muss sich von der Angst lösen, von der Bevölkerung als europakritische Partei wahrgenommen zu werden. Wir stehen zu Europa, deshalb müssen wir uns stärker von der Politik der Kanzlerin absetzen. Es geht auch in Europa um Verteilungsfragen.

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