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Dauerwelle, Dauerbrenner. Vor allem im ostdeutschen Friseurhandwerk sind die durchschnittlichen Stundenlöhne sehr niedrig. Foto: Patrick Pleul/pa/dpa

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Politik: Mindestens mäkeln

Die Union ist offen für eine Lohnuntergrenze – die FDP-Führung hintertreibt den Plan nach Kräften.

Von Sabine Beikler

Berlin - Der Druck auf die FDP wächst, doch noch einer Regelung für Mindestlöhne zuzustimmen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) forderte schon Anfang des Monats ein klares Entgegenkommen des Koalitionspartners. Die Liberalen argumentieren, dass es bereits Gesetze gibt, die Mindestlöhne ermöglichen und verweisen auf das Mindestarbeitsbedingungengesetz. Doch ist dieses Regelwerk mit dem sperrigen Namen dafür nicht geeignet. Das sagen nicht nur die Oppositionsparteien, die Gewerkschaften, sondern auch Experten und sehr deutlich auch die Union. Das Gesetz sei „unpraktikabel und kein Ersatz für eine allgemeine verbindliche Lohnuntergrenze“, sagte Peter Weiß, Vorsitzender der Arbeitnehmergruppe der CDU/CSU- Fraktion, dem Tagesspiegel.

Das Mindestarbeitsbedingungengesetz (MiaG) bietet die Möglichkeit, für Branchen, die weniger als 50 Prozent Tarifbindung haben, eine Kommission einzusetzen, die branchenspezifische Löhne festlegen soll. Das ist allerdings seit Einführung des Gesetzes 1952 und seiner Reform 2009 noch kein einziges Mal passiert. Voraussetzung wäre nämlich, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Hauptausschuss unter Vorsitz von Klaus von Dohnanyi (SPD) gemeinsam zu dem Schluss kommen, dass es in der jeweiligen Branche zu „sozialen Verwerfungen“ kommt. Das Bundesarbeitsministerium muss dann diesem Entschluss zustimmen. Danach wird ein Fachausschuss gebildet, der ein Mindestentgelt festsetzt. Der Hauptausschuss muss anschließend dazu Stellung nehmen. Und sollte dann das Arbeitsministerium damit einverstanden sein, wird ein Vorschlag für eine Rechtsverordnung entworfen, die die Bundesregierung erlassen kann, aber nicht muss. Das ist die Theorie.

FDP-Generalsekretär Patrick Döring betont, dass neben Arbeitnehmern und Arbeitgebern auch Landesregierungen ein Verfahren anstreben können. „Warum macht denn der thüringische Arbeitsminister nichts gegen die niedrigen Tarife im Friseurhandwerk?“, fragt Döring.

Mit 3,18 Euro Stundenlohn für Berufsanfänger und 3,82 Euro nach zwei Jahren Berufserfahrung ist der Tarif in Thüringen der niedrigste für Friseure in Deutschland. Thüringen will jedoch „keinen Flickenteppich, sondern einen flächendeckenden und branchenübergreifenden Mindestlohn“, sagte Wirtschafts- und Arbeitsminister Matthias Machnig (SPD) dem Tagesspiegel. Das schwarz-rot regierte Land hat eine Mindestlohninitiative in den Bundesrat eingebracht, die beraten wird. „Döring wirft mit Nebelkerzen. Die FDP ist auch beim Mindestlohn in der Wirklichkeit Deutschlands nicht angekommen“, sagte Machnig.

Der stellvertretende FDP-Fraktionschef Heinrich Kolb betont, dass eine Reihe von Branchenmindestlöhnen wie im Wach- und Sicherheitsgewerbe eingeführt worden seien. Es gebe Regionen, in denen ohnehin in der Metall-, Elektro- oder Baubranche gut bezahlt werde. Kolb und Döring bleiben dabei: „Das CDU-Modell ist mit uns nicht zu machen. Jede weitere Änderung würde den Einstieg in den gesetzlichen Mindestlohn bedeuten. Das lehnt die FDP ab.“ Die Union will Lohnuntergrenzen in Bereichen einführen, in denen ein tarifvertraglich festgelegter Lohn nicht existiert. Die Höhe soll analog zur Low-Pay-Commission in Großbritannien einmal jährlich eine Kommission festsetzen.

Doch innerhalb der FDP gibt es Widerstand gegen die parteiinterne Blockadehaltung. Der frühere schleswig-holsteinische Arbeitsminister Heiner Garg (FDP), heute Landesvorsitzender, hatte sich im Vorjahr für bundesweit einheitliche Mindestlöhne ausgesprochen. An seiner Position hat sich nichts geändert, wie er auf Nachfrage sagt. Der heutige FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki plädierte 2012 im Landtagswahlkampf für Mindestlöhne in einzelnen Branchen.

„Wenn Merkel es ernst meint, hätte sie das Thema schon längst auf die Tagesordnung im Koalitionsausschuss gebracht“, sagt SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil. Mindestlohn sei bei Merkel „keine Herzensangelegenheit“. Das Unions-Konzept sei ein „Placebo-Mindestlohn“ und kein Ersatz für einen gesetzlichen Mindestlohn, wie ihn die SPD fordert. Auch die Grünen sehen eine allgemeine Lohnuntergrenze ohne Vorbehalte vor. Die Linke fordert statt 8,50 Euro einen Mindestlohn von zehn Euro. Sabine Zimmermann (Linke), Vorsitzende des Arbeitsausschusses im Bundestag, sagte, dass sich mit dem Verweis auf das MiaG die Politik „aus der Verantwortung“ gezogen habe. Für DGB- Vorstandsmitglied Claus Matecki ist das MiaG kein Ersatz für einen Mindestlohn von mindestens 8,50 Euro. Hans-Jürgen Urban vom IG-Metall-Vorstand hält das MiaG für zu bürokratisch. Das Gesetz diene vielmehr „der FDP als Ausrede dafür, nicht zu handeln“.

Nach Auskunft von Gerhard Bosch, Direktor des Instituts für Arbeit und Qualifikation an der Universität Duisburg-Essen, arbeiten derzeit rund 6,8 Millionen Deutsche für einen Lohn von weniger als 8,50 Euro. Durch einen Mindestlohn würden sich die öffentlichen Ausgaben für Aufstockungen vermindern. „Sie werden aber nicht gegen null gehen“, sagte Bosch. Durch eine Lohnuntergrenze würden nur „die schlimmsten Auswüchse von Ausbeutung“ auf dem Arbeitsmarkt beseitigt. Bosch plädiert für einen gesetzlichen Mindestlohn, der aber flankiert werden müsse, zum Beispiel durch Equal-Pay-Regelungen für Leiharbeit und Mini-Jobs.

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