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Politik: Mister 95 Prozent

Michail Saakaschwili ist neuer Präsident Georgiens. Als Erstes will er ein Gesetz gegen Korruption verabschieden

Von einem solchen Ergebnis konnte Amtsvorgänger Eduard Schewardnadse nur träumen: Mit 95 Prozent der Stimmen, so das vorläufige Ergebnis, wurde der ehemalige Oppositionschef Michail Saakaschwili zum neuen Präsidenten Georgiens gewählt. Außerdem war die Wahlbeteiligung unerwartet hoch: Sie lag bei über 80 Prozent – der absolute Rekord in dreizehn Jahren Unabhängigkeit. Die OSZE-Wahlbeobachter zeigten sich mit dem Verlauf zufrieden. Zwar sei die Abstimmung nicht perfekt gewesen. Spürbar sei aber eine deutliche Verbesserung im Vergleich zu früheren Wahlen, sagte der Vorsitzende der Parlamentarischen Versammlung der OSZE, Bruce George, am Montag. Bundeskanzler Gerhard Schröder gratulierte Saakaschwili zu seinem Wahlerfolg und lud ihn nach Berlin ein.

Das gute Ergebnis mahnt den 36-Jährigen nun zu Tempo bei den ersehnten Veränderungen, die messbare Verbesserungen bringen müssen. Angesichts des Scherbenhaufens, den Saakaschwili geerbt hat, für diesen und Georgien ein Unternehmen mit ungewissem Ausgang. Schon in diesen Tagen will er daher vom Parlament eben jenes Gesetz zur Korruptionsbekämpfung beschließen lassen, mit dem er als Justiminister gescheitert war. Staatschef Eduard Schewardnadse hatte damals den Vorstoß einfach abgeblockt, was im Jahr 2001 zum Bruch zwischen dem damaligen Präsidenten und seinem politischen Ziehkind geführt hatte.

Auch können er und seine Verbündeten – die „Demokraten“ um die gegenwärtige Interimspräsidentin Nino Burdschanadse und Exparlamentschef Surab Schwanija, der als künftiger Premier gehandelt wird – nur unter dem unmittelbaren Eindruck des Wahlsiegs ohne größeren Widerstand jene unpopulären Maßnahmen durchdrücken, die für die lange überfälligen Wirtschaftsreformen unumgänglich sind.

Doch darüber und über die geplante Teilkorrektur von Ergebnissen der Privatisierung, bei denen die alten Eliten (darunter die Familie Schewardnadses) allzu dreist an sich selbst dachten, gerieten beide Gruppierungen schon aneinander: Die Familie von Übergangspräsidentin Burdschanadse ist dem Schewardnadse-Clan seit langem in Freundschaft verbunden und hat ebenfalls von der Privatisierung profitiert.

An Saakaschwilis nationalistischen Tönen könnte unterdessen die geplante Wiederherstellung der staatlichen Einheit scheitern: Gegenüber den abtrünnigen einstigen Autonomien setzt er auf das unitare Staatsmodell seiner Vorgänger, das die Probleme erst heraufbeschwor: Seit Anfang der Neunziger hat die Zentralregierung in Tiflis in Südossetien und Abchasien nicht mehr, in Adscharien fast nichts mehr zu sagen.

Trümpfe, die die selbst ernannten Schutzmächte Georgiens, Russland und die USA, jederzeit ausspielen können. Saakaschwili gilt als politisches Leichtgewicht und dürfte es ungleich schwerer haben als der erfahrene Außenpolitiker Schewardnadse, nationale Interessen Georgiens im kaukasischen Machtpoker zu verteidigen. Es muss sich außerdem zeigen, ob Saakaschwilis Zweckbündnis mit Burdschanadse und Schwanija mehr ist als eine Allianz auf Zeit.

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