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Politik: Mit Ahmadinedschad gegen den Westen?

Der iranische Staatschef hält beim Gipfel der Schanghai-Gruppe eine Grundsatzrede – und trifft Putin

Sonst ist er im Ausland alles andere als ein willkommener Gast: Ausgerechnet der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad ist der einzige Staatschef, der beim Gipfel der Schanghai-Organisation eine große Rede halten darf, obwohl sein Land nicht einmal Mitglied der Gruppe, sondern nur Beobachter ist. Der iranische Staatschef wird vor dem Plenum ein Grundsatzreferat zu den Entwicklungen im Mittleren Osten halten und am Rande des Showdowns der Autokraten mit Putin zusammentreffen.

Russische Medien sprachen von einer „Sensation“ und einer „neuen Herausforderung an den Westen“. Mitte Mai, als die Einladung bekannt wurde, steuerte die Irankrise gerade ihrem ersten Höhepunkt entgegen: Sanktionen gegen das Mullah-Regime in Teheran scheiterten am Widerstand Russlands und Chinas. Beide sind Führungsmächte der Schanghai-Organisation, die sich 1996 zur Regelung offener Grenzfragen gründete. Ihr gehören auch die zentralasiatischen Ex-Sowjetrepubliken Kasachstan, Kirgisien, Tadschikistan und Usbekistan an. Die Mongolei, Indien und Pakistan haben Beobachterstatus – ebenso wie Iran.

Afghanistans Präsident Hamid Karsai kommt als Gast. Sein Land hatte schon einmal Beobachterstatus, wurde dann aber von Washington zurückgepfiffen. Anders als Westeuropa, das Zentralasien bisher nur als möglichen Energielieferanten wahrnimmt und die politischen Entwicklungen in der Region ausblendet, haben die USA frühzeitig das Gefahrenpotenzial der Shanghai-Organisation erkannt. Die will sich längerfristig zu einem Gegengewicht von Nato und Opec mausern und hat dafür gleich aus zwei Gründen momentan gute Karten. Der eine ist die offenkundige Schwäche von UN, OSZE und anderen Krisenmanagement-Institutionen, die seit Ende der Blockkonfrontation eine Identitätskrise durchmachen und auf neue Bedrohungen wie Terrorismus, Waffenschmuggel und Umweltkatastrophen inadäquat und verspätet reagieren.

Der zweite Grund ist der Paradigmenwechsel von Moskaus Außenpolitik. Neoimperiale Rhetorik, mit der staatsnahe Medien auch Putins Treffen mit Georgiens Staatschef Michail Saakaschwili unterfütterten, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Kreml in der Schwarzmeer-Region und im Südkaukasus das Handtuch wirft. Umso mehr, da die GUAM – ein Bündnis der Ex-Sowjetrepubliken Georgien, Ukraine, Aserbaidschan und Moldawien – sich im Mai als „Organisation für Demokratie und Entwicklung“ neu gründete. Sie macht die Spaltung der UdSSR-Nachfolgegemeinschaft GUS, in zwei Lager – ein pro-westliches und eine pro-russisches – perfekt. Für den Kreml ist diese Entwicklung Grund genug, alle verfügbaren Reserven nun für den Kampf um Einfluss im Öl- und gasreichen Zentralasien zu mobilisieren. Zusammen mit China, denn mittelfristig decken sich beider Interessen in der Region.

Erste Erfolge kann die Schanghai-Organisation dabei bereits vorweisen. 2005 zwang Usbekistan die USA zum Abzug seiner Truppen. Kirgisien will nachziehen. Russland hat dort sowie in Tadschikistan bereits Basen etabliert und sich auch in Usbekistan, sollte es dort zu neuen Unruhen kommen, das Recht auf Stationierung eigener Kontingente gesichert. Sie spielen eine Schlüsselrolle bei Plänen, das GUS-Verteidigungsbündnis, das inzwischen auch für den Beitritt anderer Staaten offen ist, zu militärischen Strukturen der Schanghai-Organisation auszubauen. Auch deshalb bemüht sich der Iran seit Monaten um Aufnahme als Vollmitglied. Denn ihren Mitgliedern sichert die Organisation im Falle äußerer Bedrohung ihren Beistand zu.

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