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Politik: Mit aufrechtem Zwang

Hans Modrow, vorletzter Regierungschef der DDR, wird 75

Von Matthias Meisner

Er hätte gern eine andere, eine bessere DDR regiert. Aber die Zeit war für Hans Modrow, der an diesem Montag 75 wird, zu kurz. Vier Monate lang, von November 1989 bis März 1990, wollte der SED-Politiker als vorletzter Ministerpräsident der DDR einen geordneten Wandel herbeiführen – und war doch nur Konkursverwalter eines bankrotten Regimes. „Es war keine Zeit und Situation für eine wirkliche organisierte Opposition in der SED“, glaubt er heute. Bis zum Schluss hoffte er, aus Moskau würde ein Anstoß für Veränderungen ausgehen. Das habe auf ihn „wie eine Bremse“ gewirkt.

Er galt als Hoffnungsträger, doch hatte Modrow zu DDR-Zeiten stets ein gespaltenes Verhältnis zu dem Begriff. Er wusste, dass er bei den SED-Führern in Berlin ohnehin als unsicherer Kantonist galt, genoss es andererseits jedoch, wegen seiner guten Kontakte nach Moskau später auch Aufmerksamkeit im Westen zu erringen. Modrow, lange Jahre Erster Sekretär der SED-Bezirksleitung Dresden, wollte sich stets ein wenig weiter vorwagen als andere Spitzengenossen – aber doch nie so weit, dass es wirklich gefährlich werden konnte.

Niemand soll ihm nachsagen können, dass er seinen Grundüberzeugungen nicht treu geblieben ist. „Das Nachdenken über den Sozialismus bleibt eine Herausforderung, der ich mich auch selbst weiter stellen werde“, betont er. Doch Zeitgenossen Modrows wie der ehemalige Dresdner Oberbürgermeister Wolfgang Berghofer haben mit ihm gebrochen. Während sich Berghofer nach der Wende Politikern aus dem Westen andiente, die in der untergehenden DDR das Terrain sondierten, suchte Modrow für die DDR zu retten, was zu retten ist: „Wir haben versucht, die Übergangszeit im Interesse der DDR-Bürger zu gestalten. Aber uns lief die Zeit davon.“

In der PDS, die ihn zum Ehrenvorsitzenden machte und für die er seit 1999 im Europaparlament sitzt, fand Modrow rasch wieder eine politische Heimat. Hier gilt er nur wenigen als Ewiggestriger. Vor allem die älteren Genossen schätzen ihn, weil er ihre Ideale hochhält und die DDR nicht schlechtredet. Die rot-roten Koalitionen in den Ländern waren Modrow indes nie geheuer: Opposition, sagte er einmal, sei doch „kein Handeln ohne oder mit geminderter Verantwortung“. Als sich die Genossen nach der verlorenen Bundestagswahl 2002 um die Parteiposten stritten, zeigte er sich ernüchtert und sagte: „Das hätten wir damals in der SED besser hingekriegt.“

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