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Politik: Mit den Eckpunkten läuft’s nicht rund

Die Koalition liefert sich heftige Gefechte zur Gesundheitsreform – als gäbe es keine Vereinbarungen

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Berlin - Am Mittwoch im Bundestag hat die Kanzlerin ihre Gesundheitsministerin beiseite genommen. Das Gespräch war fällig, mindestens. Der Streit um die Gesundheitsreform nimmt nämlich Züge an, für die Ulla Schmidts Sprecher Klaus Vater nur noch ein Wort hat: „abstrus“. Das bezog sich zwar streng genommen nur auf eine Meldung unter der Überschrift „Entlassung der Gesundheitsministerin im Gespräch“. Es könnte aber gut als Motto über diesen ganzen Tagen stehen. Die große Koalition liefert sich auf offener Bühne Gefechte wie ihre Vorgänger zu besten Zeiten. Dahinter steckt ein schlichter Sachverhalt: Die nach nächtlicher Verhandlung Anfang Juli von allen hoch gelobten „Eckpunkte“ für die Reform liegen der Union und ihrer Kanzlerin heute schwer im Magen. Sie wissen aber nicht, wie das Übel zu kurieren wäre.

Angefangen hat das Ulla-SchmidtBeschimpfen die Kanzlerin höchstselbst, und zwar in ihrer Eigenschaft als CDU- Vorsitzende am Montag im Parteipräsidium. „Dramatisch“ sei das, dass Schmidt immer noch keinen kompletten Gesetzentwurf erarbeitet habe. Das war das Startsignal für eine öffentliche Kanonade der Union gegen die Ministerin, an der sich am Mittwoch von einer CSU-Klausur im fernen Kloster Banz aus auch CSU-Chef Edmund Stoiber beteiligte. Schmidt, so die unterschwellige Botschaft, verzögere gezielt die Entwürfe ausgerechnet zu den politisch heikelsten Punkten der Reform, dem Gesundheitsfonds und dem Umgang mit den Privatkassen.

„Ablenkungsmanöver“ nennt SPD- Fraktionsvize Elke Ferner derlei Kriegsgeschrei – ein Versuch, davon abzulenken, dass die Union selbst nicht fähig sei, sich auf eine einheitliche Linie zu einigen. Das stimmt, ist aber nicht einmal der zentrale Punkt. Den hat Merkel in jener Sitzung am Montag ebenfalls erwähnt. Angestoßen von massiver Kritik aus den Ländern, ist zumal der CDU aufgefallen, dass eine Vereinbarung in den Eckpunkten alles zu konterkarieren droht, was die Union zur Rechtfertigung des umstrittenen Gesundheitsfonds anführt. Vereinbart ist, dass Zuzahlungen von Versicherten an Krankenkassen, die mit der geplanten neuen Kostenverteilung nicht auskommen, auf ein Prozent des Haushaltseinkommens begrenzt werden. Zu wenig, sagen mittlerweile praktisch alle in der Union, um die Kassen zum erwünschten Wettbewerb zu zwingen.

Merkel hat ihrem Parteipräsidium in Aussicht gestellt, dass eine „praktikable“ Lösung mit der SPD gefunden werden solle. Die Frage ist freilich längst keine fachliche mehr, sondern eine hochpolitische. Für die SPD, sagt etwa Schleswig-Holsteins Gesundheitsministerin Gitta Trauernicht, sei die Ein-Prozent- Grenze zentral als Bremse gegen Überforderung der Versicherten: „Wenn die Union an den Eckpunkten rüttelt, stellt sie die komplette Reform in Frage. Dann machen wir das Fass neu auf.“ Und SPD-Chef Kurt Beck lässt kurz und bündig – und ohne vorher bei Merkel angerufen zu haben – wissen, für die SPD seien die Eckpunkte „die feste Grundlage für die weitere Gesetzgebung“.

Eine Formulierung, die so ähnlich wenig später auch Merkels Regierungssprecher Ulrich Wilhelm benutzt. „Auf der Basis der Eckpunkte“ sollten die Fachleute eine „gute, umsetzbare und praktikable“ Lösung finden. Grundlage, Basis – eine Formel, so hoffen einige in der Koalition, doch noch Bewegung in die festgefahrenen Fronten bringen könnte. Die Frage würde dann lauten: Wie breit ist die Basis eines Eckpunkts?

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