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Politik: Mit Gefahr für Leib und Leben

Der einst entführte BBC-Journalist Johnston über die Arbeit in Krisengebieten

Es ist nicht lange her, da hatte Alan Johnston noch einen Sprengstoffgürtel um den Bauch geschnallt. Bilder eines blassen Reporters gingen um die Welt – die Videobotschaft der Entführer. „Ich wusste, sie hätten mich jeden Tag erschießen können“, sagt der 45-jährige BBC-Journalist vier Monate später. Wenn er spricht, wirkt er nicht mehr so gefasst wie in besagtem Video, eher nachdenklich, mitunter traurig. Der Schock scheint noch tief zu sitzen; 114 Tage verbrachte er in der Gewalt palästinensischer Terroristen.

„Am schwierigsten war es für mich, meine Gedanken unter Kontrolle zu halten“, erzählte Johnston am Donnerstag in Berlin. Er war Gast der Medienkonferenz News Xchange. Journalisten aus aller Welt diskutierten über Medienthemen, aber auch über ihre Sicherheit in Krisengebieten. „Alan ist frei“, sagte die Moderatorin Anita McNaught, aber was ist mit all den anderen?“ In diesem Jahr wurden bereits 66 Journalisten entführt, 16 von ihnen getötet, 21 befreit. Das Schicksal von 29 Reportern ist noch immer ungewiss. Bislang trifft es viele Redaktionen unvorbereitet, wenn einer ihrer Korrespondenten entführt wird. Noch fehlt ein gemeinsamer Verhaltenskodex, nach dem sich Redaktionen richten könnten. Zahlt man bei Lösegeldforderungen? Arbeitet man mit der Regierung zusammen, oder verhandelt man ohne? Was passiert mit den Angehörigen? Fragen, auf die auch die Journalisten der Konferenz keine Antworten wissen. „Allgemeingültige Regeln sind keine Lösung“, sagte Francesca Unsworth von der BBC, jede Entführung sei anders. Unsworth war maßgeblich an Johnstons Freilassung beteiligt, als Leiterin seines Befreiungsteams in Jerusalem.

Drei Jahre lang hatte Johnston im Gazastreifen gelebt und gearbeitet, zuletzt als einziger westlicher Korrespondent. Im März, wenige Tage bevor er nach London zurückkehren wollte, entführte ihn eine Gruppe Dschihadisten. „Lass dich nicht entführen“, habe er zu einer Kollegin gesagt; 20 Minuten später war es ihm passiert. Heute könne er sagen: „Ich war der glücklichste Entführte der Welt.“ Denn hinter ihm stand nicht nur eine große Redaktion, sondern auch die internationale Presse. Es seien aber vor allem lokale Journalisten im Irak und in Afghanistan, betonte Johnston, die jeden Tag ihr Leben riskierten. Ohne gepanzerte Wagen. Ohne Bodyguards. Ohne viel Geld. Für die westlichen Medien sind die einheimischen Reporter oft unverzichtbar, da sie die Ereignisse aus nächster Nähe sehen. „Manchmal habe ich das Gefühl, dass wir weniger wert sind“, sagte Aleem Agha, ein afghanischer Journalist. Und erinnerte an den Fall des im März entführten Italieners Daniele Mastrogiacomo: Der Korrespondent der italienischen Zeitung „La Repubblica“ kam nach zwei Wochen frei, sein Kollege vor Ort, der Afghane Ajmal Naqshbandi wurde umgebracht. „Wir haben auch Frauen und Kinder“, appellierte Agha an seine westlichen Kollegen. In den vergangenen zehn Jahren kamen nach Angaben der Organisation Reporter ohne Grenzen 1000 Journalisten ums Leben, davon 10 Deutsche.

Wird er wieder zurück nach Gaza gehen, will die Moderatorin am Ende von Johnston wissen. Er weiß es nicht. „Ist schon gefährlich dort“, sagt er und grinst zum ersten Mal: Noch eine Entführung könne er seinem Sender nicht zumuten.

Lisa Wandt

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