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Jürgen Rüttgers

© dpa

Politik: Mit System

Eine Agentur soll für die nordrhein-westfälische CDU gezielt Wählerinitiativen aufgebaut haben

Der Sozialdemokrat Karsten Rudolph macht in diesen Tagen eine neue Erfahrung, wenn er im Wahlkampf auf seinen christdemokratischen Gegenkandidaten im Hochsauerlandkreis trifft. Er kann sich nach wie vor keine Hoffnung machen, das Mandat in der CDU-Hochburg direkt zu gewinnen, aber einige Punkte mehr als 2005 könnten es dieses Mal werden. Sobald er in Podiumsgesprächen mit dem „System Rüttgers“ ins Gericht geht und die verschiedenen Spendenvorwürfe thematisiert, die der nordrhein-westfälischen CDU nachgesagt werden, wird sein Gegenüber einsilbig: „Der geht da überhaupt nicht mehr drauf ein und verteidigt Rüttgers nicht einmal mehr“, hat Rudolph beobachtet.

In der Tat fällt es den Christdemokraten schwer, angesichts täglich neuer Vorwürfe gute Laune zu verbreiten. In der Düsseldorfer Parteizentrale herrscht seit Dienstag wieder Alarmstimmung: An diesem Tag stellten Journalisten des „Spiegel“ derart präzise Fragen, dass den Unionsstrategen sofort klar wurde, dass sie ein neues Problem hatten. Offenbar hatte die seit einiger Zeit aktive Quelle aus den eigenen Reihen erneut Akten und Belege gestreut, die jedes Leugnen zwecklos machen. Der neue Parteigeneral Andreas Krautscheid ging in die Vorwärtsverteidigung und ließ streuen, dass die CDU möglicherweise ein Problem mit dem Bundestagspräsidenten bekomme und wegen falsch verbuchter Spendengelder bis zu 60 000 Euro nachzahlen müsse. Das wäre die harmlose Konsequenz aus den neuen Enthüllungen.

Journalisten in Düsseldorf liegen Unterlagen über Vorgänge aus dem Wahlkampf 2005 vor, die Zusammenhänge zwischen einer angeblich unabhängigen Wählerinitiative für Jürgen Rüttgers und der CDU belegen. Demnach hat die CDU die Werbeagentur Equipe aus Frankfurt mit mindestens 40 000 Euro gezielt dafür bezahlt, Wählerinitiativen ins Leben zu rufen, um Werbung für den politischen Wechsel an Rhein und Ruhr zu machen.

So wurde etwa eine Zeitungskampagne der Initiative „Wähler für den Wechsel“ um Tim Arnold unterstützt, der jetzt Leiter der NRW-Landesvertretung in Berlin ist. Er war ins Gerede gekommen, nachdem ein Mailverkehr zwischen ihm und der CDU-Parteizentrale das Unternehmen Hella in Schwierigkeiten brachte. Er beriet mit der Firma, wie eine Spende von 10 000 Euro für seine Initiative steuerlich günstig verbucht werden konnte; das Unternehmen hatte Werbung für Rüttgers mit Wissen der Parteizentrale als Betriebsausgabe verbucht.

Weil die Initiative aber nicht selbstständig agierte, sondern gezielt von der CDU gesteuert wurde, hätten alle Einnahmen im Rechenschaftsbericht der Partei auftauchen müssen. Selbst die CDU sieht das inzwischen so und rechnet deshalb damit, dass Parteifreund Norbert Lammert als Bundestagspräsident eine Strafzahlung verhängen muss. Nun soll die Agentur Equipe weitere Honorare kassiert haben, außerdem will Lammert die Anzeigenkampagne der Wählerinitiative unter die Lupe nehmen. Tim Arnold lässt sich inzwischen anwaltlich beraten.

Die neuen Nachrichten aus dem Innenleben der CDU freuen den Gegner: „Das System der illegalen Parteienfinanzierung hat Rüttgers sich offenbar bei seinem Vorbild Kohl abgeschaut“, ätzt der schleswig-holsteinische SPD-Vorsitzende Ralf Stegner. Einzig Hannelore Kraft, die sozialdemokratische Spitzenkandidatin und Herausforderin von Jürgen Rüttgers, blieb ruhig. Sie fürchtet, dass die neuen Veröffentlichungen am Ende allen Parteien schaden könnten.

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