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Mittelstand: Rumoren im Maschinenraum

Die Mittelständler in der Union sind enttäuscht vom Koalitionsvertrag – Merkel muss beschwichtigen.

Berlin - Die Mittelständler in der Union haben der schwarz-gelben Regierung unter Kanzlerin Angela Merkel mangelnden Reformeifer vorgeworfen. Die neue Regierung habe „das Tor zu Reformen zwar einen Spalt geöffnet“, für große Schritte sei dieser Spalt aber zu klein, sagte Josef Schlarmann, Vorsitzender der Mittelstandsvereinigung MIT. Der Koalitionsvertrag spare wichtige Arbeitsfelder aus – „wie die Entriegelung des Arbeitsmarktes oder die Gesundheitsreform“. Notwendig seien nicht so sehr Steuergeschenke, sondern politischer Mut zu Reformen. „Wir brauchen keine Politik, die sich ausschließlich auf das Lösen von Detailproblemen und das Tagesgeschäft konzentriert“, mahnte der CDU-Politiker Schlarmann bei einer Tagung des Unions-Mittelstands in Berlin.

Nach den Verlusten bei den Bundestagswahlen verlangte Schlarmann eine „schonungslose Wahlanalyse“. Es sei problematisch, dass die Union je eine Million Wähler an die Liberalen und die Nichtwähler verloren habe. „Offensichtlich hat die Union für große Teile ihrer Anhängerschaft deutlich an Bindungskraft verloren.“ Damit die FDP die bisherigen Stammwähler der Union nicht dauerhaft übernehme, müsse die Union viel Mut für Reformen aufbringen, verlangt Schlarmann. Und damit auch keiner der Anwesenden im Saal vergisst, welche Art von Reformen er meint, erinnert Schlarmann an die radikalen Beschlüsse des CDU-Parteitags Ende 2003 in Leipzig – mit Kopfpauschale im Gesundheitswesen und Bierdeckel-Steuerreform nach Friedrich Merz. „Wir müssen die Beschlüsse von Leipzig ja nicht eins zu eins umsetzen, aber wir müssen sie fortentwickeln“, fordert Schlarmann.

Wenn die Union wirtschaftsliberale Wähler zurückgewinnen wolle, müsse sie ihr wirtschaftspolitisches Profil deutlich schärfen. Eine Arbeitsteilung – die Union in der neuen Koalition zuständig für die Sozialkompetenz und die FDP für die Wirtschaftskompetenz – „wäre das Ende der Volkspartei Union“. Ohnehin gebe es in Deutschland zu viel Einmischung des Staates in Wirtschaftsangelegenheiten. Wohin dies führe, zeige aktuell das Beispiel Opel, kritisiert Schlarmann. Der Staat könne sich nur „eine blutige Nase holen“, wenn er versuche, in Unternehmen hineinzuregieren.

Die gescheiterten deutschen Bemühungen bei Opel – Merkel erwähnt sie mit keiner Silbe, als sie wenig später zu den Mittelständlern spricht. Stattdessen mahnt die Kanzlerin, dass auch die Wirtschaft aus der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise Lehren ziehen müsse. „Wir brauchen eine Diskussion über die Werte unseres Wirtschaftens“, fordert Merkel. Werte wie den des „ehrbaren Kaufmanns, des achtbaren Handwerkers und des vertrauenswürdigen Bankiers“. Und Regeln, die dazu führten, dass „nie wieder“ ein großes Finanzinstitut die Staaten dieser Welt an den Abgrund drängen könne.

Doch die CDU-Vorsitzende hat auch Botschaften mitgebracht, die im Saal für mehr Beifall sorgen. Sie spricht von einer Politik, die dem Mittelstand „die Freiheit zum Handeln“ gebe, Stichwort Erleichterungen bei der Erbschaft- und der Unternehmensbesteuerung. Und davon, dass den Stärkeren in dieser Gesellschaft „die Lust und Möglichkeit“ gegeben werden müsse, etwas für die Gesellschaft zu leisten, Stichwort Steuersenkungen. Dass die Regierung mehr Schulden aufnehmen wird, rechtfertigt Merkel vor dem Wirtschaftsflügel. „Das passt uns nicht. Aber die Krise erfordert es, dass wir mehr ausgeben müssen, um uns der Krise entgegenzustellen.“

Damit Merkel die mahnenden Worte des Wirtschaftsflügels nicht vergisst, überreicht Schlarmann ihr am Ende ihrer Rede einen Maschinentelegrafen. Ein Gerät, mit dem auf dem Schiff Kommandos von der Brücke an den Maschinenraum übermittelt werden. Schlarmann: „Wir haben den Telegrafen programmiert, so dass er nur noch ein Kommando kennt: Volle Kraft voraus.“

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