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Se Frentzen als Bettlerin auf der Düsseldorfer Kö.

© ntv

Modeberaterin als Bettlerin: „Brauche neue Schuhe“

In Düsseldorf setzt sich die "Stilikone" Se Frentzen auf die "Kö" und erbettelt mehr als "Kö-Peter". Was sagt uns das? Ein Kommentar

Ein Kommentar von Werner van Bebber

Man kann es als gelungene Werbeaktion in eigener Sache sehen: Eine sehr ansehnliche junge Frau, bestens angezogen bis hin zur schicken Sonnenbrille, sitzt auf der edlen Düsseldorfer Einkaufsstraße „Kö“, bettelt mit einem Schild mit der Aufschrift „Brauche neue Schuhe“. Der Ertrag nach vier Stunden, dem Kölner „Express“ zufolge: 53,30 Euro. Dazu kommen drei Zeitungsartikel (einschließlich diesem), die Se Frentzen, so der Name der Frau, bekannter machen werden und ihr, die von Beruf „Stilberaterin“ ist und Leuten beim Klamottenkaufen berät, vermutlich Kunden bringt. Frentzen sagt, der bekannteste Bettler der Prachtstraße, „Kö-Peter“ genannt, habe sie auf die Aktion gebracht. Der habe ihr erzählt, ein ganzer Tag auf der Kö habe ihm bloß zwei Euro eingebracht. Sie habe testen wollen, was die Leute geben, wenn sich „jemand wie ich hier hinsetzt“.

"Coole Aktion"

Sicher ist nur ein Ergebnis des Selbstversuchs: „Kö-Peter“, der unattraktivere Bettler, ist um gut fünfzig Euro reicher. Denn selbstverständlich behielt Frentzen das Geld nicht für sich. Aber was lehrt die Geschichte sonst? Dass die Großstadt die Leute härter, ihre Wahrnehmung des Elends kritischer macht? Man kann nicht jedem abgerissenen Obdachlosen etwas geben, schon gar nicht denen, die (wie Kö-Peter) Hunde dabeihaben. Wenn es dafür noch reicht oder fürs Rauchen oder, wie bei manchen Roma-Frauen, für Mobiltelefone, kann es so schlimm nicht sein. Warum dann aber serienweise Euros für eine Frau, die die Bettelei karikiert? „Coole Aktion“, soll ein Mann gesagt und gleich zwei Euro gegeben haben. Andere erklärten ihre plötzliche Großzügigkeit mit der Attraktivität der Bettlerin. Coolness – keine überraschende Erkenntnis – zieht stärker an als Bedürftigkeit, Ironie bewirkt mehr als erkennbare Armut. Bedürftigkeit und Armut mögen nicht hässlich sein, hässlich ist aber der Gedanke, es könne einem selbst, aus welchen bösen Zufällen auch immer, mal ähnlich gehen. Und man wäre dann angewiesen auf das Mitleid der anderen.

Ein böser kleiner Gedankenkreislauf: Man geht lieber weiter, als den Eindruck von Not zu stark werden zu lassen, sonst stört einen die Not noch im geordneten, gepolsterten Alltag. Se Frentzen, auch gern als „Stilikone“ bezeichnet, hat den bösen kleinen Gedankekreislauf in Ganz gesetzt. Sie hat dabei gelächelt, statt zu sagen: Wir leben in einer zynischen Zeit. Auch für diese Erkenntnis zahlen manche offenbar gern.

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