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Mohammed-Video: Wohin steuert Pakistan?

Pakistans Eisenbahnminister stößt öffentlich Morddrohungen gegen den Macher des Mohammed-Schmähvideos aus, ein Generalstreik legt Bangladesch lahm. Doch im Internet regt sich Widerstand gegen die Islamisten.

Ghulam Ahmad Bilour hat sich mit wenigen Sätzen in die weltweiten Schlagzeilen katapultiert. Offen rief er zum Mord am Macher des Mohammed-Schmähvideos auf. Er zahle jedem, der „diesen Gotteslästerer, diesen Sünder“ töte, aus eigener Tasche 100 000 Dollar, tönte der pakistanische Eisenbahnminister unter Applaus bei einer Pressekonferenz. Und bat obendrein noch die „Brüder“ von Taliban und Al Qaida um Hilfe bei „dieser noblen Mission“.

Der Westen reagierte schockiert. Die Worte passen bestens ins alarmierende Bild, dass Pakistan sich zusehends radikalisiert und gemeinsame Sache mit Extremisten macht. Zwar bemühten sich Pakistans Regierung und auch Bilours Partei ANP, den Schaden zu begrenzen. „Wir distanzieren uns komplett von den Äußerungen Herrn Bilours“, sagte ein Sprecher des pakistanischen Premierministers Raja Pervez. Doch bis Sonntagabend war der mordlüsterne Minister weiter im Amt.

Der Mordaufruf ist ein neuer trauriger Höhepunkt der Wutwelle gegen das Amateur-Video, das den Propheten Mohammed verunglimpft und von einem koptischen Christen stammen soll, der in Kalifornien lebt. Alle Beteuerungen der US-Regierung, dass sie nichts mit dem Video zu tun habe, scheinen ungehört zu verhallen.

In Bangladesch legte am Sonntag ein Generalstreik das halbe Land lahm. Schulen und Geschäfte blieben geschlossen. Aufgerufen zu dem Streik hatten zwölf islamische Gruppen.Die Proteste wirken immer mehr wie ein Aufstand gegen die Supermacht USA selbst.

Zwar wird Bilours Mordaufruf in Pakistan vor allem als politische Effekthascherei gesehen. Doch der Minister fühlt sich offenbar sicher, dass er bei vielen Pakistanern damit punkten kann. Unverdrossen legte er am Sonntag nach: Ihm sei klar, dass es eine Straftat sei, zum Mord aufzurufen. Aber wenn die USA den Mann auslieferten, „werde ich ihn mit meinen eigenen Händen töten“. Was besonders pikant ist: Bilour gehört der Partei ANP an, die ein wichtiger Koalitionspartner in der Regierung ist – und eigentlich als säkular gilt.

Was den Minister umtrieb, bleibt bisher unklar. Er habe die Wut der Pakistaner kanalisieren wollen – weg von den Straßen und hin zu dem Filmemacher, sagte ein ungenannter Mitarbeiter Bilours gegenüber der New York Times. So hatte ein Mob am Freitag auch das Kino seines Bruders Aziz – angeblich ein Pornokino - zerstört. Dies sei nicht Sinn der Sache, meinte der Mitarbeiter.

Mit seinem Mordaufruf hat Bilour seinem Land keinen Gefallen getan. Wieder stehen die Pakistaner als radikalisiertes Volk da, das im Namen des Propheten Gewalt gutheißt. So war es bereits am Freitag zu schweren Krawallen gekommen, als Hunderttausende gegen das Video protestierten. Unter dem Druck der Islamisten hatte die Regierung selbst zu dem „Feiertag“ aufgerufen. Doch aus dem „Tag der Liebe zum Propheten“ wurde ein Tag der Gewalt und Zerstörung. Mindestens 23 Menschen starben, 200 wurden verletzt. Zahlreiche Kinos, Restaurants und Geschäfte wurden verwüstet. In der nordpakistanischen Stadt Mardan wurde eine Kirche niedergebrannt.

Die Ausschreitungen nähren den Eindruck, dass der Regierung die Kontrolle über den Atomstaat entgleitet. „Pakistan war führungslos am Freitag“, sagte die frühere Botschafterin Pakistans in den USA, Maleeha Lodhi, der New York Times.

Das Ausmaß der Gewalt schockte auch viele Pakistaner. Auf den Webseiten der Zeitungen überschlugen sich entsetzte und kritische Kommentare. „Ich bin zutiefst erschüttert über diese Gewaltakte unseres Volkes“, schrieb ein User namens Abdullah. Und ein anderer, der sich Raza Khan nennt, meinte: „Ich schäme mich für Pakistan.“ Viele Pakistaner verzweifeln an ihrem eigenen Land. Hilflos sehen sie mit an, wie es immer stärker in die Klauen von Hasspredigern gerät.

Für die Islamisten in Pakistan ist das Schmähvideo eine Steilvorlage, um das Volk weiter aufzustacheln. Nur noch wenige Pakistaner trauen sich, gegen die Islamisten öffentlich aufzubegehren, seit mehrere liberale Politiker ermordet worden sind. Auch die Regierung kuscht bisher.Christine Möllhoff

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