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Politik: Mords-Helden

Vier US-Elitesoldaten kehrten aus Afghanistan zurück – und töteten gleich darauf ihre Frauen. Amerika rätselt: Kamen die Kämpfer nicht mit ihrem Einsatz zurecht?

Von Malte Lehming, Washington

Der amerikanische Armeestützpunkt Fort Bragg ist wie eine kleine Stadt. Das Gelände, im Bundesstaat North Carolina gelegen, ist riesig. Mehr als 50 000 Soldaten sind dort stationiert. Von hier aus ziehen die Besten der Besten in den Kampf: zwei Eliteeinheiten, die legendäre 82nd Airborne Division und die Spezialkräfte der US-Armee. Auch im Afghanistan-Krieg übernahmen diese Truppen besonders wichtige Funktionen. Wer zu ihnen gehört, gilt als Held.

Jetzt scheinen einige dieser Helden durchzudrehen. Eine Reihe mysteriöser Morde beschäftigt das Militär. Vier Ehefrauen wurden in den vergangenen sechs Wochen von ihren Männern umgebracht. Alle Männer kamen aus Fort Bragg. Drei der Täter waren gerade erst aus Afghanistan zurückgekehrt. Sie waren Mitglieder der Spezialeinheiten. Zwei der Männer töteten sich nach ihren Verbrechen selbst. Sechs Tote in sechs Wochen: Besteht zwischen der Mordserie und dem Einsatz in Afghanistan ein Zusammenhang?

Die Morde begannen am 10. Juni. Zwei Tage zuvor war Rigoberto Nieves aus Afghanistan zurückgekehrt. Als Grund für seine vorzeitige Heimreise hatte der 32-Jährige „persönliche Probleme“ angegeben. Dann erschoss er seine Frau Teresa und sich selbst. Am 29. Juni wurde Jennifer Wright, die Frau des 36-jährigen William, tot aufgefunden. Ihr Mann, der Mitte Mai aus Afghanistan zurückgekehrt war, hatte sie erwürgt. Am 9. Juli wurde die Frau von Sergeant Cedric Griffin erstochen. Ihr Mann hatte mit einem Messer 50 Mal auf sie eingestochen und dann das Haus angezündet. Am 19. Juli erschoss der 30-jährige Brandon Floyd seine Frau und sich selbst. Floyd war Mitglied der „Delta Force“, einer geheimen Eliteeinheit, die für den Anti-Terror-Kampf ausgebildet wird.

Die Verantwortlichen sind so rat- wie fassungslos. „So etwas habe ich noch nie erlebt“, sagt ein Veteran der Eliteeinheiten. Überall in Fort Bragg herrscht Verunsicherung. Die Offiziere seien verstört und besorgt, heißt es. Demnächst beginnt eine ausführliche Untersuchung. Sie soll nicht nur die Hintergründe der vier Morde aufklären, sondern auch der Frage nachgehen, ob die Soldaten intensiv genug auf beide Ereignisse vorbereitet werden: den Einsatz im Krieg und die Rückkehr nach Hause.

„Wer als Soldat wochen- oder monatelang weg ist, entwickelt oft unrealistische Erwartungen“, sagt Dennis Orthner, der an der „University of North Carolina“ Sozialwissenschaften unterrichtet. Seit 25 Jahren hat sich Orthner mit den Problemen von Soldatenfamilien befasst. „Der Soldat rechnet zum Beispiel nicht damit, dass seine Frau ganz gut ohne ihn klargekommen ist. Soldatenfrauen entwickeln oft ein hohes Maß an Unabhängigkeit.“ Hinzu kommt, dass einige Soldaten den abrupten Szenenwechsel nicht verkraften. Gestern haben sie noch vor Kandahar Terroristen gejagt, heute reden sie am Familientisch über die Milchpreise bei „Safeway".

Damit ihre Soldaten den psychischen Stress besser verarbeiten, betreibt die US-Armee seit einigen Jahren besondere Familienberatungsprogramme. Deren Konzeption indes stellen Experten angesichts der jüngsten Vorfälle nun in Frage. Das Militär streitet jeden direkten Zusammenhang zwischen den Morden und dem Afghanistan-Krieg ab. „Tausende amerikanischer Soldaten sind auf der ganzen Welt stationiert“, sagt der Kommandeur von Fort Bragg. „In vielen Fällen ist deren Situation so stressig wie in Afghanistan.“

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