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Politik: Moskau: Tschetschenen in den Libanon

Russland will muslimische Soldaten aus dem Nordkaukasus in die Nahost-Truppe entsenden

Russland könnte sich mit bis zu 2000 Mann an einer internationalen Friedenstruppe im Südlibanon beteiligen. Geplant ist vor allem die Entsendung von Soldaten aus muslimischen Regionen Russlands, darunter auch Tschetschenen. Diskutiert wird sogar die Verpflichtung von Vertragssoldaten aus den zentralasiatischen Ex-Sowjetrepubliken.

Die meisten islamischen Staaten, die bereit sind, Truppen in den Libanon zu schicken, haben keine diplomatischen Beziehungen zu Israel. Dessen Einverständnis aber ist Voraussetzung für eine Stationierung. Die Türkei indes, traditionell Sicherheitspartner Israels, will nur 600 Mann schicken. Italien, das bei der Friedensmission ab Februar 2007 den Oberbefehl übernehmen soll, drängt Moskau daher zu aktiverem Engagement. Auch der Iran, Saudi-Arabien sowie die libanesische Regierung wünschen sich eine starke Beteiligung Moskaus – und rannten dort offene Türen ein.

Zwar sprachen sich Senatspräsident Sergej Mironow und Michail Margelow, der Chef des außenpolitischen Ausschusses im Senat, zunächst gegen die Blauhelm-Mission aus. Ihnen geht es darum, Russlands Partner Syrien nicht zu verprellen. Dennoch, so beide Politiker, könne Russlands Präsident Wladimir Putin auf die Unterstützung des Senats rechnen, dessen Zustimmung für eine Entsendung von Truppen erforderlich ist. Das Thema dürfte nach der Sommerpause im September auf die Tagesordnung kommen. Denn Moskau hat längst erkannt, welch politischer Gewinn im Libanon winkt.

Zum einen kann Russland dann Kritik an Friedensmissionen auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion als ungerecht abschmettern. Georgien wie Moldawien hatten bei der OSZE mehrfach über Inkompetenz russischer Blauhelme geklagt und deren Unterstützung für die Separatisten in Abchasien, Südossetien und Transnistrien kritisiert.

Zum anderen steigen Russlands Chancen auf Vollmitgliedschaft in der Organisation islamischer Staaten, wo Moskau seit 2005 Beobachter ist – nicht zuletzt dank der iranischen Lobby. Teheran soll Moskau auch zur Entsendung nordkaukasischer Muslime in den Libanon geraten haben. Vorgemerkt sind in der Tat vor allem Soldaten zweier Tschetschenen-Bataillone. Sie kämpften auf Seiten Moskaus und der prorussischen Regierung in Grosny gegen die Separatisten und bringen daher praktische Erfahrung im Guerillakrieg mit. Vor allem aber: Wenn Tschetschenen im Ausland unter russischen Fahnen kämpfen, stößt westliche Kritik an Moskaus Kaukasuspolitik zwangsläufig ins Leere.

Der moskautreue Regierungschef in Grosny, Ramzan Kadyrow, betonte bereits, Marschbefehle würden postwendend ausgeführt. Kadyrow, der ohnehin eigentlicher Statthalter des Kremls in Tschetschenien ist, werden Ambitionen nachgesagt, den 2004 durch umstrittene Wahlen notdürftig legitimierten Präsidenten Alu Alchanow nun auch de jure zu entmachten. Per Ernennung durch das Parlament und auf Bitten des Weltkongresses der Tschetschenen, der am 5. Oktober in Grosny tagt. Genau dann wird Kadyrow 30 und damit reif für das höchste Staatsamt in der Republik. Die dazu nötigen Verfassungsänderungen dürfte Moskau nur genehmigen, wenn Tschetschenien durch seine Friedenssoldaten bis dahin definitiv aus den Negativschlagzeilen verschwindet.

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