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Politik: Müntefering allein zu Haus

Wegen seiner Initiative zur Rente mit 67 schlägt dem Vizekanzler an der Basis Empörung entgegen

Franz Müntefering hat sich auffallend viel Zeit genommen. Der Vizekanzler und frühere SPD-Chef ist frühzeitig nach Gelsenkirchen gereist, wo sich die Genossinnen und Genossen aus seiner nordrhein-westfälischen Heimat zu ihrer alljährlichen Klausurtagung versammelt haben, um über die Perspektiven der Politik zu debattieren. Während der zwei Konferenztage ging es dann allerdings weniger um die Zukunft, als vielmehr um die Frage, wie der Flächenbrand, den Müntefering mit seinem Vorstoß zur Rente mit 67 ausgelöst hat, wieder gelöscht werden kann. Die Stimmung an der SPD-Basis ist in diesem Zusammenhang mehr als schlecht. Viele fühlen sich an die Basta-Vorgaben des abgewählten Kanzlers Gerhard Schröder erinnert. „Das ist so an der Basis nicht vermittelbar“, hört etwa Ralf Jäger, stellvertretender Fraktionsvorsitzender im Düsseldorfer Landtag, immer wieder von den Parteimitgliedern draußen.

Wenn man den Genossen verspricht, sie nicht beim Namen zu nennen, werden die Kommentare an vielen Stellen weit drastischer. Ein langjähriger führender IG-Metaller, der in seiner Organisation nicht zu den Linken zählt, schüttelt angesichts der jüngsten Müntefering-Vorschläge nur noch den Kopf und sagt: „Ich werde aus der Partei nicht austreten, aber die Partei tritt bei mir aus.“ Wenig später fügt er noch hinzu: „In unserem Betrieb arbeiten zwei Drittel der Belegschaft im Conti-Schichtdienst, für die ist Rente mit 67 Illusion, weil sie vorher krank sind.“ Die Argumente werden Müntefering vorgetragen. Mehrere Vorstandsmitglieder haben sich vorher abgesprochen und warnen den Vizekanzler. „Du musst die Partei mitnehmen – ich kann das aber nicht erkennen“, wirft ihm Britta Altenkamp, die stellvertretende SPD-Vorsitzende aus seinem Heimatbezirk vor.

Müntefering kontert die Attacken mit zwei stereotypen Hinweisen: „Das steht so alles im Koalitionsvertrag, außerdem kennt ihr die Lage der Rentenkasse.“ Wenig später verweist er auf das Argument: Wer die Arbeitszeit nicht verlängert, kürzt de facto die Renten. Vor allem die Jüngeren beeindruckt er mit diesem Plädoyer. Gleichwohl verlangt die NRW-SPD Korrekturen am Konzept; zumal im Land zwischen Rhein und Weser noch immer viele industrielle Arbeitsplätze das Bild beherrschen und diese Klientel bis heute SPD wählt. In ihrer Gelsenkirchener Erklärung fügen die Genossen deshalb eine Passage ein: „Wir sind der Auffassung, dass es beim Renteneintrittsalter zu einer größeren Flexibilität unter Berücksichtigung der Belastungen im Berufsleben und der Dauer der Beitragsleistung kommen muss.“ Hannelore Kraft, die Düsseldorfer Fraktionschefin, erklärt, was daraus folgt: „Die Fachleute müssen diese politische Vorgabe jetzt umsetzen.“ Franz Müntefering hat sich das alles angehört. Versprochen hat er zwar nichts, aber er hat zu erkennen gegeben, dass er die Botschaft verstanden hat und im Gesetzgebungsverfahren dann wohl mit der einen oder anderen Änderung zu rechnen ist.

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