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Politik: Müntefering bittet: Enthaltet euch

SPD-Chef appelliert an Fraktion, Schröders Taktik bei der Vertrauensfrage zu stützen

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Berlin - Die SPD-Abgeordneten sollen sich bei der Vertrauensfrage von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) am Freitag im Bundestag der Stimme enthalten. Einen entsprechenden Vorschlag will Partei- und Fraktionschef Franz Müntefering am Dienstag der Fraktion unterbreiten. Er wolle die SPD-Abgeordneten dazu „einladen“, sich bei der Abstimmung zu enthalten, sagte Müntefering am Montagabend in Berlin. Er werde sie jedoch nicht dazu auffordern, „sondern meine Linie deutlich machen. Und dies ist die Enthaltung.“ Der SPD-Chef hatte diese Ankündigung am Montag auch schon vor den rund 45 Mitgliedern des SPD-Fraktionsvorstandes gemacht. Nach Berichten von Teilnehmern war dies mit großem Beifall bedacht worden.

Zuvor hatten sich bereits die drei Grünen-Minister zu aktiver Hilfe bereiterklärt, damit Schröder die Vertrauensfrage im Bundestag verliert. „Wir wollen jetzt, dass diese Richtungsentscheidung herbeigeführt wird. Wir wollen, dass der Weg zu Neuwahlen beschritten werden kann und werden im Rahmen der Verfassung unseren Teil dazu beitragen“, kündigte Parteichef Reinhard Bütikofer nach einer Sitzung des Parteirats an. Bislang hatten Spitzenpolitiker des kleinen Koalitionspartners erklärt, die Grünen-Bundestagsfraktion werde bei einer Vertrauensfrage geschlossen für Schröder stimmen. Die Grünen hatten zeitweise befürchtet, der Kanzler wolle sie für das Scheitern der rot-grünen Koalition verantwortlich machen.

Nach der Vertrauensfrage muss Bundespräsident Horst Köhler über vorgezogene Bundestagswahlen entscheiden. Schröder beantragte am Montag bei Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) formal die Vertrauensfrage. Er kündigte in dem Schreiben an, er werde sich dabei auf Artikel 68 des Grundgesetzes berufen und am Freitag im Bundestag eine Erklärung abgeben.

Bundespräsident Horst Köhler wird nach Tagesspiegel-Informationen alle Möglichkeiten „sehr ernsthaft“ prüfen, darunter nicht zuletzt die, eine „getürkte“ Vertrauensfrage nicht zu legitimieren und den Bundestag nicht für Neuwahlen aufzulösen. Genau dazu hat ihn der Nestor der deutschen Politikwissenschaft, Wilhelm Hennis, dringend aufgerufen. Hennis argumentiert in der FAZ, der Präsident könne dann vielmehr nach einem Rücktritt Schröders einen Nachfolger vorschlagen und das mit der Bitte verbinden, die Regierung möge bis zum Ende der Legislaturperiode 2006 eine Revision des Grundgesetzes vorantreiben. Das gäbe der „politischen Klasse“ noch einmal die Chance zu zeigen, was in ihr stecke. Der frühere Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) warnt in einem Beitrag für den Tagesspiegel dagegen vor einer schnellen Verfassungsänderung für ein Selbstauflösungsrecht des Bundestags. Solche Erwägungen seien „abwegig“.

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