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Kardinal Reinhard Marx sieht die Katholische Kirche an einem toten Punkt angekommen.

© dpa/Tobias Hase

Update

Katholische Kirche an einem „toten Punkt“: Münchner Kardinal Marx bietet Papst seinen Rücktritt an

Kardinal Reinhard Marx will Mitverantwortung tragen für sexuellen Missbrauch durch Kirchenvertreter. Den Papst bittet er, seinen Amtsverzicht anzunehmen.

Der Erzbischof von München und Freising, Kardinal Reinhard Marx, hat Papst Franziskus seinen Rücktritt angeboten. Die katholische Kirche sei an einem „toten Punkt“ angekommen, sagte er laut Mitteilung seines Bistums vom Freitag. Marx hat Papst Franziskus gebeten, seinen Verzicht auf das Amt des Erzbischofs von München und Freising anzunehmen und über seine weitere Verwendung zu entscheiden.

Er wolle seinen angekündigten Rücktritt nicht als Aufruf an andere Amtsträger wie den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki verstanden wissen, seinem Schritt zu folgen. „Ich möchte auf die Mitbrüder da nicht einwirken“, sagte Marx am Freitag in München. Er trage Verantwortung für das Erzbistum München und Freising und habe eine ganz persönliche Entscheidung getroffen. „Jeder muss seine Verantwortung wahrnehmen in der Art und Weise, wie er es tut. Und da kann ich keinem Vorschriften machen und möchte es auch nicht.“

In einem Brief vom 21. Mai an den Heiligen Vater legte der Kardinal seine Gründe für diesen Schritt dar, wie das Erzbistum München und Freising am Freitag mitteilte. Papst Franziskus teilte Kardinal Marx mit, dass dieses Schreiben nun veröffentlicht werden könne und dass der Kardinal bis zu einer Entscheidung seinen bischöflichen Dienst weiter ausüben solle.

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„Im Kern geht es für mich darum, Mitverantwortung zu tragen für die Katastrophe des sexuellen Missbrauchs durch Amtsträger der Kirche in den vergangenen Jahrzehnten“, schrieb Marx dem Papst. Die Untersuchungen und Gutachten der zurückliegenden zehn Jahre zeigten für ihn durchgängig, dass es „viel persönliches Versagen und administrative Fehler“ gegeben habe, aber „eben auch institutionelles oder systemisches Versagen“.

Die Diskussionen der letzten Zeit hätten gezeigt, „dass manche in der Kirche gerade dieses Element der Mitverantwortung und damit auch Mitschuld der Institution nicht wahrhaben wollen und deshalb jedem Reform- und Erneuerungsdialog im Zusammenhang mit der Missbrauchskrise ablehnend gegenüberstehen“. Dieser Haltung erteilte Marx eine klare Absage. Statt dessen müsse etwa der in Deutschland begonnene „Synodale Weg“ weitergehen, für den Marx sich stark eingesetzt hat.

„Ich will zeigen, dass nicht das Amt im Vordergrund steht“

Die katholische Kirche sei an einem „toten Punkt“ angekommen. Mit seinem Amtsverzicht könne vielleicht ein persönliches Zeichen gesetzt werden für neue Anfänge, für einen neuen Aufbruch der Kirche. „Ich will zeigen, dass nicht das Amt im Vordergrund steht, sondern der Auftrag des Evangeliums.“ In seiner persönlichen Erklärung teilte Marx mit, er habe in den vergangenen Monaten immer wieder über einen Amtsverzicht nachgedacht. „Ereignisse und Diskussionen der letzten Wochen spielen dabei nur eine untergeordnete Rolle.“ Seine Bitte um Annahme des Amtsverzichts sei eine ganz persönliche Entscheidung. „Ich möchte damit deutlich machen: Ich bin bereit, persönlich Verantwortung zu tragen, nicht nur für eigene Fehler, sondern für die Institution Kirche, die ich seit Jahrzehnten mitgestalte und mitpräge.“

Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, hat nach eigenen Angaben „großen Respekt“ vor dem Rücktrittsangebot des Münchner Kardinals. Wie Rörig der Deutschen Presse-Agentur am Freitag weiter sagte, zeige der Schritt „die Dimension und die Verwerfungen auf, zu denen das Bekanntwerden von Kindesmissbrauch in den eigenen Reihen geführt“ habe.

Marx habe bei dem Prozess der Aufarbeitung auch in der Weltkirche eine sehr wichtige Rolle gespielt. „Unabhängig von seinem Rücktrittsgesuch muss die unabhängige Aufarbeitung in den Bistümern mit voller Kraft vorangetrieben werden“, forderte Rörig.

Ausrufe- und Fragezeichen an die Kirche

Der Augsburger Bischof Bertram Meier sieht im Rücktrittsgesuch des Münchner Erzbischofs Reinhard Marx ein doppeltes Signal an die katholische Kirche in Deutschland. „Das Rücktrittsangebot von Kardinal Marx wird wohl Ausrufe- und Fragezeichen zugleich sein“, sagte Meier der „Augsburger Allgemeinen“.

Der Schritt sei ein Ausrufezeichen an die Kirche, auf dem Weg der geistlichen Erneuerung voranzuschreiten. Er sei zugleich auch ein Fragezeichen: „Inwieweit gelingt es uns, angesichts der zahlreichen Herausforderungen, vor denen die Kirche in Deutschland steht, die Einheit zu wahren?“ Mit Blick auf die Aufarbeitung des Missbrauchs und auf den Reformprozess des Synodalen Wegs betonte der Bischof, bei aller Vielfalt sei auch ein „Schulterschluss“ gefordert.

Über sein persönliches Verhältnis zu Marx in den vergangenen Monaten sagte Meier: „Ich habe Kardinal Marx lebensfroh, gesellig, zupackend, aber als Westfale auch als „sensible Eiche“ erlebt.“ (KNA, dpa)

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