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Politik: Muslime empört über CDU-Abgeordneten

„ Er hat uns beleidigt“ / Sachsens Ministerpräsident nennt Nitzsches Äußerungen Biertischgeschwätz

Von Frank Jansen

Berlin. Die abfälligen Äußerungen des CDU-Bundestagsabgeordneten Henry Nitzsche über Muslime und türkischstämmige Deutsche haben vielfach Empörung ausgelöst. Der Zentralrat der Muslime in Deutschland forderte am Freitag von Nitzsche eine Entschuldigung. Nitzsches Aussagen seien beleidigend, sagte der Sprecher des Zentralrats, Aiman Mazyek, dem Tagesspiegel. Außerdem müsse sich die CDU die Frage gefallen lassen, „wann sie mit dem Spiel aufhört, auf Minderheiten draufzuschlagen, um die Rechtsaußen-Klientel bei Laune zu halten“.

Der Vizechef der Unionsfraktion im Bundestag, Wolfgang Bosbach, sagte dem Tagesspiegel, er würde Nitzsche die vom Zentralrat geforderte Entschuldigung nachdrücklich empfehlen. Der CDU-Abgeordnete hatte Recherchen des Tagesspiegels zufolge im Internet verbreitet, „eher wird einem Moslem die Hand abfaulen, als dass er bei der Christlich-Demokratischen Union sein Kreuz auf dem Wahlzettel macht“. Es sei „vergebliche Liebesmüh“, um die Wählerstimmen „von eingebürgerten Türken zu buhlen“.

Am Abend verbreitete Nitzsche eine schriftliche Erklärung, in der er seine Äußerungen bedauert. Der 44-Jährige schrieb, er sei nicht ausländerfeindlich eingestellt. Für ein Gespräch war Nitzsche am Freitag – wie schon am Tag zuvor – nicht zu erreichen. Bosbach berichtete allerdings, er habe mit dem Abgeordneten noch am Donnerstag ein hartes Gespräch geführt. „Ich habe ihm unmissverständlich klar gemacht, dass seine Äußerungen mit der Politik der Union nicht vereinbar sind und schon seine Wortwahl indiskutabel ist“, sagte Bosbach. Nitzsche habe „zerknirscht“ gewirkt. Weitere Konsequenzen für Nitzsche habe der Vorfall „im Moment keine, aber es hängt alles davon ab, wie er sich weiter verhält“.

Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt nannte Nitzsches Sprüche „nicht tragbar“. Solches „Biertischgeschwätz“ gehöre nicht in die Politik, sagte Milbradt der „Sächsischen Zeitung“. Den Rauswurf Nitzsches aus Fraktion und Partei hält der Vorsitzende des Deutsch-Türkischen Forums in der CDU, Bülent Arslan, für „zwingend erforderlich“. Eine Entschuldigung reiche nicht. Das 300 Mitglieder zählende Forum arbeite seit Jahren dafür, türkischstämmige Deutsche für die CDU zu gewinnen. Bislang wählten 15 bis 20 Prozent der ungefähr 700 000 Deutsch-Türken die CDU, sagte Arslan, „und wir wollen 50 Prozent – aber dann kommt Nitzsche und schadet uns“. Die Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der Berliner CDU verlangte von Nitzsche, auf Mandat und Parteimitgliedschaft zu verzichten.

Wirbel verursacht auch weiter der Fall des CDU-Abgeordneten Martin Hohmann, der am 3. Oktober Juden in den Ruch eines „Tätervolks“ gebracht hatte. Die Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit forderten die CDU auf, sich von Hohmann zu trennen. Nach Recherchen des ZDF-Magazins Frontal 21 hat die Jewish Claims Conference schon im Sommer 2001 die CDU/CSU-Fraktion vor antisemitischen Tendenzen Hohmanns gewarnt. Der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, Volker Beck, forderte eine Bundestagsdebatte über Antisemitismus in Deutschland – und über die Frage, in welchem Maße in der CDU Ressentiments gegen Türken und Muslime geduldet werden.

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