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Politik: Nach dem Steuerstreit: Schröders Schatten über der Union (Leitartikel)

Nun tritt der Stoff zutage, aus dem die Politik ist. Da helfen alle Rechtfertigungsversuche nichts: dass es doch eigentlich das Verdienst der CDU sei, wenn der Streit um die Steuerreform mit ziemlich genau dem Ergebnis geendet hat, das wir sonst erst im Herbst bekommen hätten; dass also die Wirkung, die sich alle von der Reform erwarten, jetzt schon eintritt; dass damit die Abweichler von der Unions-Linie sozusagen staatspolitisch geadelt werden, weil sie das der Bundesregierung abgetrotzt haben - von den wohltätigen Folgen beispielsweise für die Berliner Haushalts-Situation ganz zu schweigen.

Nun tritt der Stoff zutage, aus dem die Politik ist. Da helfen alle Rechtfertigungsversuche nichts: dass es doch eigentlich das Verdienst der CDU sei, wenn der Streit um die Steuerreform mit ziemlich genau dem Ergebnis geendet hat, das wir sonst erst im Herbst bekommen hätten; dass also die Wirkung, die sich alle von der Reform erwarten, jetzt schon eintritt; dass damit die Abweichler von der Unions-Linie sozusagen staatspolitisch geadelt werden, weil sie das der Bundesregierung abgetrotzt haben - von den wohltätigen Folgen beispielsweise für die Berliner Haushalts-Situation ganz zu schweigen. Alles irgendwie richtig - aber was zählt, ist eben doch die Stunde am Freitagvormittag im alten Bundesrat in Bonn. Sie machte von einem auf den anderen Moment aus Konkurrenten Sieger und Verlierer. Sie befördert einen Bundeskanzler, der lange ein bevorzugter Gegenstand abschätziger Bemerkungen war, zum Meister aller politischen Klassen, und lässt eine Opposition, die eben noch Fuß zu fassen schien, wie durch eine Falltür in die Ratlosigkeit fallen. Sie planierte die Parteienlandschaft neu - vermutlich für lange Zeit. Mag sein bis zur Bundestagswahl.

Der Ausgang des Steuer-Streits wirft in der Tat einen langen Schatten. Denn Schröder wächst damit in eine präsidiale Rolle hinein, von der aus er fast das gesamte politische Feld dominiert. Über die ominöse neue Mitte hinaus, die ihm den Wahlsieg vor zwei Jahren bescherte, kann er nun auf die Wirtschaft rechnen, dazu auf die politischen Pragmatiker aller Nuancen, die finden, dass hier wenigstens einer handelt - ganz zu schweigen von der Lufthoheit über den Stammtischen, die ihm sein fröhlicher Populismus sichert. Seine eigene Partei wird nun erst recht bei Fuß gehen. Die FDP, angezogen vom Geruch der Macht, sucht seine Nähe. Die PDS hält er in der Hinterhand, für alle - ostdeutschen - Fälle. Was bleibt da für die Union?

Natürlich kommt es für sie zuerst auf Schadensbegrenzung an. Es wäre schlimm, wenn sie zu zum Verlust der Bataille auch noch den Kopf verlöre. Doch nun rächt sich, dass sie so überstürzt den Weg aus Wahldesaster und Kohl-Affäre ins Freie suchte. Dem erfahrenen Fuhrmann Wolfgang Schäuble wäre jedenfalls das katastrophale Sich-Versteuern nicht passiert, das Friedrich Merz und Angela Merkel widerfuhr. Die stehen nun als Düpierte da, bevor sie richtig begonnen haben - schwach, was das politische Handwerk angeht, bar der Autorität, die notwendig ist, um die Zentrifugalkräfte in der Union zu bändigen, die sich nun noch stärker melden werden als bisher. Der große Neuanfang erweist sich als hastige Not-Krönung und ratlose Flucht nach vorn, weit davon entfernt, die Partei für den Wiederaufbau bereit zu machen, der seit der Wahlniederlage 1998 ansteht.

Zu schwarz gemalt? Aber dass die CDU lediglich zurückgeworfen worden sei, wie Frau Merkel bekennt, ist fast eine Beschönigung. Es unterstellt, dass man schon auf dem richtigen Weg war. Das eben ist die Frage, die die Niederlage im Bundesrat aufwirft. Bislang hat die CDU den neuen Anfang vor allem in der Auseinandersetzung mit Kohl gesucht. Nun zeigt sich, dass dieser Anfang sich auch auf ganz anderen Feldern bewähren muss - dem der unausgetragenen strategischen Differenzen, unterschiedlichen Gewichte, Eifersüchteleien. Da eine entschlossene CSU, die zur Attacke bläst, dort eine CDU, die deren Druck wenig entgegenzusetzen hat, aber auch wenig entgegensetzte. Da Politik, die die Länder für die Partei instrumentieren wollte, da Parteien, die auf Erfolg in ihren Ländern setzen müssen. Da die reichen (Süd-)Länder, fest in Unions-Hand, dort Habenichtse jenseits der Main-Linie, die von der Gunst des Bundes abhängen.

Unter diesem Problem-Niveau kann das Wiedertrittfassen der Union nicht ansetzen, wenn es Erfolg haben soll. Er steht vor der Aufgabe, die Ungleichgewichte in der Union zusammenzufügen. Von der notwendigen Einheit in der Vielfalt in der Union spricht ja auch die Parteivorsitzende. Hoffentlich weiss sie, was für eine Herkules-Arbeit auf sie wartet.

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