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Politik: Nach der kleinen Nagelprobe in Berlin sind es die Grünen, die sagen können, dass ihre Themen zählen

Alle reden vom Transrapid. Dann spricht niemand mehr über den traurigen Zustand der Koalition.

Alle reden vom Transrapid. Dann spricht niemand mehr über den traurigen Zustand der Koalition. "Ja," räumt Kristin Heyne ein, "es war auch ein Stück allgemeine Aussprache." Für die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen war die Koalitionsrunde am Montagabend aber vor allem "ein konstruktives Arbeitstreffen". Bis elf Uhr abends haben die Koalitionäre im Kanzleramt verhandelt, bis Peter Struck und Rezzo Schlauch, die beiden Fraktionsvorsitzenden, vor den wartenden Journalisten erscheinen. Die hatten zuvor geunkt, welchen Trinkspruch der Kanzler wohl auf den ersten Jahrestag der Wechselwahl ausbringen würde. Etwa den: Lasst uns trinken, diesen Jahrestag kann uns keiner mehr nehmen? Struck und Schlauch sehen nicht danach aus, als hätte die Runde gefeiert. Übereinstimmend sei man der Meinung gewesen, sagt Struck, "dass es überhaupt keinen Grund für irgendeine Art von Koalitionsdiskussion gibt". Kristin Heyne sagt es so: "Wir waren uns einig, die Koalition steht." Dann, nachdem man auf diese Weise im dunklen Wald gepfiffen und sich Mut gemacht hat, haben die rot-grünen Koalitionäre laut Schlauch eine "ausführliche Arbeitssitzung, mit sehr vielen Punkten" begonnen und sich "bei den meisten geeinigt".

Mit über zwei Stunden Gesundheit, Energiewirtschaft, Atomausstieg, Öko-Steuer und Transrapid hat die Runde wirklich ein ungewöhnlich ausführliches Programm absolviert. Bei der Gesundheit hat man sich "einhellig" hinter die grüne Gesundheitsministerin Andrea Fischer gestellt, die von vereinzelten Sozialdemokraten gern kritisiert wird. Bei der Energiewirtschaft wird ein Arbeitskreis gegründet. Beim Atomausstieg soll die Arbeit eines anderen beschleunigt werden, nachdem sich herausgestellt hat, dass dessen ursprünglicher Zeitrahmen nicht einzuhalten ist. Im übrigen bekennt sich der Kanzler zur Freude der Grünen zum Koalitionsvertrag, der besagt: Wenn kein Konsens mit der Industrie möglich ist, dann wird der gesetzliche Weg gesucht. Natürlich unter der Maßgabe, dass er entschädigungsfrei sein muss. Bei der Öko-Steuer versichert man sich mit der Entlastung von Gas-Kraftwerken alter Absichten und beim Transrapid, endlich, wird ein Dissens benannt und bekannt. So weit das Sachprogramm, das vom Fleiß, wenn auch nicht von der Entscheidungfreude der Regierung zeugt.

Zugleich ist die abendliche Runde eine kleine Nagelprobe auf die vielen guten Absichten nach den Niederlagen und Zwistigkeiten der letzten Wochen. Der grüne Koalitionsausschuss am Montagmorgen hatte die wesentlichen Streitpunkte um die künftigen Strukturen zwar vertagt. Joschka Fischer erhält aber eine neue Rolle, für die sich binnen einen Tages der Begriff "Vormann" durchsetzt. Der Außenminister soll es sein, der innerhalb der rot-grünen Konstellation für die Grünen spricht. Fischer setzt das noch am selben Abend um. So dass Heyne am Dienstag zufrieden feststellen kann, "dass er inzwischen auch die Rolle des Vize-Kanzlers voll übernommen hat. Und das begrüße ich sehr." Auf der anderen Seite ist der Kanzler, der agiert. Die Grünen sind zufrieden, wie der Fischer/Trittin-Vorstoß zum Atomausstieg aufgenommen wird. "Es wird weiter gepokert", sagt Schlauch. Und: "Jedenfalls ist diese Verhandlungslinie nicht abgelehnt worden." Aber der Kanzler hat ausdrücklich gesagt, dass es bei einem Scheitern der Konsensbemühungen eine gesetzliche Regelung geben wird. Fischer, Trittin, Wirtschaftsminister Müller und Gerhard Schröder werden die Gespräche führen, und Heyne begrüßt ausdrücklich, "dass der Bundeskanzler Einfluss nehmen wird".

Es sind die Grünen, die nach diesem Abend sagen können, dass ihre Themen in der rot-grünen Koalition einen wichtigen Platz haben. Schlauch glaubt natürlich nicht, "dass man in einer Runde den großen grünen Wurf machen kann." Aber dann zählt er stolz auf: Energiewirtschaft, Atom, Transrapid. "Ach, wissen Sie diese Startegie des begrenzten Konlikts", winkt Heyne ab. Es kommt darauf an, was man durchsetzt. Und sie zählt auf: Vorteile für erneuerbare Energien, Atomausstieg, Transrapid. "Alle diese Positionen haben wir gestern eingenommen. Ob nun konfrontativ oder klar und deutlich, das ist zweitrangig." Nur einer redet nicht über den Transrapid. SPD-Präsidiumsmitglied Rudolf Dreßler wettert per Zeitungsinterview. In der Regierungspolitik müsse endlich der Grundsatz "Qualität vor Eile" gelten. Und die SPD müsse in der Koalition mehr Profil und Eigenständigkeit zeigen.

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