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Politik: Nach europäischem Muster

Die Menschenrechtler in der Türkei sehen den Reformkurs gestärkt

Mit Erleichterung haben Vertreter von Kurden, Menschenrechtsgruppen und Christen in der Türkei am Freitag auf die Einigung zwischen EU und Türkei auf den Beginn von Beitrittsverhandlungen im kommenden Jahr reagiert. „Die Türkei wird jetzt nach europäischem Muster umgestaltet“, sagte der Direktor des Kurdischen Instituts in Istanbul, Sefik Beyaz. Der Beginn von Beitrittsverhandlungen im kommenden Jahr garantiere einen Fortgang der Reformen, begrüßte auch Hüsnü Öndül, ein prominenter Vertreter der Menschenrechtsgruppe IHD, die Einigung von Brüssel. Schon seit der Anerkennung der türkischen EUKandidatur 1999 sei ein großer „positiver Effekt“ festzustellen gewesen, sagte Öndül mit Blick auf die Reformen der letzten Jahre. Mit der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen könne dieser Weg nun fortgesetzt werden.

„Für uns ist das eine große Freude“, erklärte auch das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel, das außer den griechisch-orthodoxen Christen von Istanbul auch 300 Millionen orthodoxen Christen in aller Welt vorsteht. Patriarch Bartholomäus I. sei froh, dass der lange Weg zu Beitrittsverhandlungen mit der EU nun ein glückliches Ende genommen habe, hieß es. Die Wirtschaft in der Türkei reagierte ebenfalls positiv: Die Istanbuler Börse schloss auf einem neuen historischen Höchststand von 24 360 Punkten.

Dass Erdogan trotzdem nicht als strahlender Held nach Ankara zurückkehren kann, dafür sorgte schon am Freitag die Opposition. Der Chef der sozialdemokratischen Partei CHP, Deniz Baykal, rief Erdogan noch vor Ende des Gipfels auf, die Bedingungen der Europäer zurückzuweisen und die Gespräche mit der EU einzufrieren. Die Forderungen der Europäer zu Zypern seien „ehrverletzend“, sagte Baykal – ein Argument, das in der nationalstolzen Türkei wohl einige Wählergruppen ansprechen wird. Der türkisch-zyprische Volksgruppenführer Rauf Denktasch kritisierte, mit seiner Entscheidung habe Erdogan die Massaker der griechischen Bevölkerungsmehrheit auf Zypern an der türkischen Minderheit in den sechziger und siebziger Jahren nachträglich gebilligt. Erdogan dürfte in den nächsten Tagen und Wochen viel zu tun haben, um zu verhindern, dass ihm der Erfolg des historischen „Ja“ der EU zur Türkei in den innenpolitischen Auseinandersetzungen zwischen den Fingern zerrinnt.

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