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© dpa/Silas Stein

Update

Kritik von Union und IG Metall: Bundesregierung will Strompreis für Wirtschaft senken

In der Regierungskoalition wurde monatelang über die Ausgestaltung diskutiert. Nun soll ein Strompreispaket für die Industrie kommen. Am Vorhaben gibt es bereits Kritik.

Nach monatelangem Ringen hat sich die Bundesregierung auf eine Strompreisbremse für Industrie und Mittelstand verständigt.

Die Preissenkung soll für fünf Jahre gelten, heißt es in einer noch internen Mitteilung der Bundesregierung, die der Nachrichtenagentur Reuters am Donnerstag vorlag.

Die geplante Senkung der Stromsteuer soll zunächst für die Jahre 2024 und 2025 gesetzlich geregelt werden. „Es besteht Einigkeit, dass die Absenkung weitere drei Jahre gelten soll, sofern für die Jahre 2026 bis 2028 eine Gegenfinanzierung im Bundeshaushalt dargestellt werden kann“, teilte die Bundesregierung am Donnerstag in Berlin mit – also, wenn sich Geld dafür findet.

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Stromsteuer soll reduziert werden

Allein im nächsten Jahr gebe es Entlastungen von rund zwölf Milliarden Euro. Unter anderem soll die Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß reduziert werden.

Rund 350 besonders energieintensive Betriebe sollen zusätzlich besonders entlastet werden. Sie könnten so 2025 auf einen Kilowattpreis von sechs Cent kommen, sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), der diese Höhe vorgeschlagen hatte.

Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatte sich lange mit Blick auf die Verschuldung gewehrt, erklärt laut Mitteilung aber jetzt: „Alle Maßnahmen sind im Rahmen der Schuldenbremse finanziert.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach von einer sehr guten Nachricht für den Wirtschaftsstandort Deutschland: „Wir senken die Stromsteuer radikal, stabilisieren die Netzentgelte und setzen die Strompreiskompensation fort, damit die Unternehmen mit den aktuellen Strompreisen besser zurechtkommen können.“ Unternehmen hätten jetzt auf absehbare Zeit Planungssicherheit. 

Zuerst hatte das „Handelsblatt“ über die Pläne berichtet.

Hoher Strompreis in Deutschland

Im internationalen Vergleich ist der deutsche Strompreis aktuell ziemlich hoch – sowohl für Verbraucher, als auch für Unternehmen, die teils enorme Mengen an Energie benötigen. Besonders gilt das zum Beispiel für die Chemieindustrie, für Aluminiumwerke und Hersteller von Baustoffen.

Immer mehr große Industriekonzerne denken gerade laut darüber nach, ihre Produktion in Länder mit niedrigeren Strompreisen zu verlagern. Das könnte Deutschland Arbeitsplätze kosten. 

Wirtschaftsminister Robert Habeck hat deshalb bereits im Mai vorgeschlagen, den Strompreis für die Industrie durch staatliche Subventionen künstlich zu drücken. Das sollte vorübergehend bis 2030 passieren – bis die Erneuerbaren Energien so stark ausgebaut sind, dass die Strompreise von alleine sinken. Kostenpunkt: rund 25 bis 30 Milliarden Euro.

Die Pläne des Grünen-Politikers wurden jedoch scharf kritisiert, weil nur rund 2500 besonders energieintensive Unternehmen von den günstigen Preisen profitieren sollten. Der Mittelstand, viele Handwerker und kleinere Firmen würden leer ausgehen.

Staatliche Unterstützung könnte Strukturwandel bremsen

Außerdem bestehe die Gefahr, eine Industrie staatlich zu unterstützen, die gar nicht zukunftsfähig wäre. Die „Wirtschaftsweise“ Monika Schnitzer sagte, das drohe den dringend nötigen Strukturwandel zu bremsen.

Ähnlich äußerten sich auch andere Ökonomen, die etwa bezweifelten, dass Strom auch mit einem erheblichen Ausbau Erneuerbarer Energien je wirklich günstig wird. Bundeskanzler Olaf Scholz gab zu bedenken, der Ausbau von Wind- und Solarenergie dürfe nicht ins Stocken geraten.

Außerdem gehe es um Unternehmen, die viel Gewinn machten. Finanzminister Christian Lindner (FDP) betonte: „Es steht keine Finanzierung in der Größenordnung zur Verfügung.“ Er brachte die Reduzierung der Stromsteuer ins Gespräch – und zwar für alle „von der Bafög-Empfängerin bis zum Rentner, vom Handwerksbetrieb bis zum produzierenden Gewerbe“.

IG Metall: Strompreispaket greift zu kurz

Die IG Metall hat das geplante Strompreispaket der Bundesregierung als nicht ausreichend kritisiert. „Das jetzt vorgestellte Paket greift zu kurz und kann darum allenfalls ein Anfang sein“, sagte der Zweite Vorsitzende der IG Metall, Jürgen Kerner, am Donnerstag.

Ein Teil des Pakets verlängere schlicht bestehende Maßnahmen wie Strompreiskompensation oder gleiche bereits beschlossene Verschlechterungen wieder aus. „Mit diesen Maßnahmen werden keine Verbesserungen erzielt, aber weitere Verschlechterungen verhindert“, sagte Kerner. 

Lediglich die geplanten Subventionen der Netzentgelte bringe eine wirkliche Entlastung. „Die reicht aber nicht, um die Wettbewerbsfähigkeit der energieintensiven Industrien zu retten.“ Gewerkschaften hatten den Vorschlag von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) für einen Industriestrompreis unterstützt.

Jens Spahn sieht Habeck „krachend gescheitert“

Unionsfraktionsvize Jens Spahn (CDU) sieht in der Einigung auf eine Strompreisreduktion für die Industrie ein Scheitern von Wirtschaftsminister Habeck. „Der Wirtschaftsminister ist mit seinem Konzept eines Brückenstrompreises krachend gescheitert. Denn für die energieintensive Industrie in Deutschland ist faktisch keinerlei zusätzliche Entlastung zur heutigen Rechtslage vorgesehen. Chemie-, Stahl-, Zement- oder Papierindustrie werden so weiter aus dem Land getrieben. Ein fataler Fehler“, sagte Spahn den Zeitungen der Mediengruppe Bayern laut einer Vorabmeldung.

„Leider ist das mal wieder viel zu wenig, viel zu spät. Die Bundesregierung kommt in kleinsten Trippelschritten in der Realität an. Die Wirtschaft ist in einer tiefen Krise, die Strompreise werden noch viele Jahre sehr hoch bleiben“, sagte Spahn.

Als „richtige Maßnahme“ bezeichnete Spahn die Senkung der Stromsteuer. „Leider sollen die Bürgerinnen und Bürger davon nicht profitieren, die Ampel lässt sie einmal mehr im Regen stehen“, kritisierte der CDU-Politiker jedoch.

Linksfraktionschef Bartsch fordert mehr

Linksfraktionschef Dietmar Bartsch hält die geplante Absenkung der Stromsteuer für richtig. „Die hohen Energiepreise ziehen Industrie und Mittelstand wie Blei gen Existenzgefährdung“, sagte er am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

Die Bundesregierung dürfe aber nicht auf halber Wegstrecke stehen bleiben, mahnte Bartsch. „Private Verbraucher dürfen nicht die Gelackmeierten dieser Reform werden. Die Strompreise für private Verbraucher müssen ebenfalls runter.“

Auch hier müsse die Stromsteuer fallen. „Andernfalls subventionieren Familien, Rentner und Beschäftigte mit normalen Einkommen mit ihrem überteuerten Strompreis die Entlastung von Dax-Konzernen, die zum Teil auf Milliarden sitzen.“ Die Ampel-Koalition solle ihre Pläne schnell nachbessern, wenn sie nicht erneut Frust und Verdruss schaffen wolle. (dpa/Reuters)

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