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Politik: Nach Monaten des Streits organsiert die serbische Opposition eine Kundgebung gegen das Regime

Zehntausende haben am Freitag nachmittag im Zentrum von Belgrad gegen Jugoslawiens Präsident Slobodan Milosevic und für demokratische Wahlen in Serbien demonstriert. Nach monatelangem Streit stand die Oppositionsführer auf dem Platz der Republik erstmals wieder gemeinsam auf der Rednertribüne.

Zehntausende haben am Freitag nachmittag im Zentrum von Belgrad gegen Jugoslawiens Präsident Slobodan Milosevic und für demokratische Wahlen in Serbien demonstriert. Nach monatelangem Streit stand die Oppositionsführer auf dem Platz der Republik erstmals wieder gemeinsam auf der Rednertribüne. Oppositionsführer Vuk Draskovic und seine Rivale Zoran Djindjic schüttelten sich demonstrativ die Hände. Der bärtige Draskovic, einst Vizepräsident in der Koalition unter Milosevic, titulierte in seiner Ansprache die Vertreter des Regimes als "Terroristen" und "Mörder". Djindjic erklärte, nach zehn Jahren unter Slobodan Milosevic sei die eine Hälfte des Landes ohne Arbeit, während die andere sich nicht viel mehr als Milch und Brot leisten könne.

Die oppositionellen serbischen Medien hatten seit Tagen über die geplante Demonstration berichtet. Unerwartet viele ältere Menschen säumten am Freitag die Straßen in Serbiens Hauptstadt, während sich in den vergangenen Jahren vornehmlich die Studentenbewegung Otpor (Widerstand) im Protest gegen das Regime formiert hatte. Auch Bauern und Rentner - sonst dem Milosevic-Spektrum zuzurechnen - waren zum Protest gekommen, nachdem sie oft für Monate auf ihre Löhne warten mussten. Goran Svilanovic, Vorsitzender der Bürgerallianz äußerte sich im Anschluss an die Kundgebung zufrieden: "Es waren rund 150 000 Menschen hier. Beeindruckend war, dass der Vertreter der Vojvodina-Demokraten fast den meisten Applaus bekommen hat." Jene Gruppierung bemüht sich um einen friedlichen Interessen-Austausch der Volksgruppen in der serbischen Provinz, wo Milosevic ebenfalls ethnische Konflikte zu schüren versucht.

Polizeiuniformen waren während der Kundgebung kaum zu sehen, doch Beobachter rechneten mit einem starken Aufgebot von zivil gekleideten Sicherheitskräften. Die Opposition hatte sich vor Beginn der Demonstration erbost über die Verschärfung der EU-Sanktionen geäußert. Mit sofortiger Wirkung ist der komplette Finanzstransfer aus Ländern der EU nach Serbien für jene gesperrt, die nicht auf der "weißen Liste" - der unbescholtenen, nicht systemtragenden Serben - stehen. Keineswegs sicher ist dagegen, welche Institution die Aufnahmeprozedur in diese Liste kontrolliert. Die Opposition wiederum hatte deshalb erbittert für die Aufhebung dieser Sanktionen plädiert, weil sie zuvorderst die serbische Bevölkerung, aber nur sporadisch Anhänger und Mitglieder des Milosevic-Regimes treffen. Entsprechend ablehnend bewertet sie am Freitag die Finanzsanktionen: "Hier wurde viel guter Wille zerstört, weil der Normalbürger nicht versteht, warum er wieder Nachteil erleidet." Die Lockerung des Flugverbots - inzwischen darf der Belgrader Flughafen wieder angeflogen werden - beansprucht die Opposition als ihr Verdienst.

Einige hundert Demonstranten waren schon am Vortag zu Fuß aus der 80 Kilometer nördlich gelegenen Stadt Novi Sad aufgebrochen. Ein Konvoi von elf Bussen aus der südlichen Stadt Kragujevac wurde am Freitag morgen vor Belgrad vorübergehend blockiert, andere Anreisende angeblich zurückgewiesen. In der Stadt Pozarevac weigerte sich der lokale Busunternehmer überhaupt, Demonstranten nach Belgrad zu fahren.

Zeitgleich zur Demonstration wurde auf dem regimetreuen TV-Sender "Politika" ein Filmmarathon mit neuen Streifen aus Hollywood gestartet. Der Anfang wurde mit der Premiere von James Bonds "Die Welt ist nicht genug" gemacht. Am Donnerstag warnte der jugoslawische Vizepremier Nikola Sainovic vor möglichen "terroristischen Aktionen" während der Kundgebung. Er beschuldigte gleichzeitig die Opposition, hinter dem Bombenanschlag auf ein Büro der Milosevic-Sozialisten vom vergangenen Dienstag zu stecken. Am Freitag wurde ein halbes Dutzend ausländischer Journalisten an der Einreise nach Serbien gehindert.

"Energie für Demokratie" beendet

Die Europäische Union (EU) hat derweil ihr Programm "Energie für Demokratie" in Serbien beendet. Seit November vergangenen Jahres hätten sieben von der demokratischen Opposition regierte serbische Städte 18 000 Tonnen Heizöl erhalten, sagte Michael Grahan von der EU-Delegation in Belgrad. Außerdem hatten Kanada und Norwegen andere oppositionelle Städte mit 2500 Tonnen Heizöl versorgt. Die letzte Lieferung wird an diesem Wochenende erwartet.

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