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Politik: Nach Schäuble sagt Baumeister vor dem Untersuchungsausschuss aus - Überraschende neue Zeugin

Frau Kristina Gräfin Pilati-Borggreve will jetzt auch was sagen. Aber Volker Neumann lässt sie nicht.

Von Robert Birnbaum

Frau Kristina Gräfin Pilati-Borggreve will jetzt auch was sagen. Aber Volker Neumann lässt sie nicht. Als Anwältin der Zeugin Brigitte Baumeister, belehrt der Vorsitzende des Parteispenden-Untersuchungsausschusses die Gräfin, dürfe sie ihre Mandantin beraten, mehr nicht. Er hätte die junge Frau besser ausreden lassen. Kurz darauf platzt das kleine Bömbchen: Die Gräfin Pilati-Borggreve darf nicht da sitzen, wo sie sitzt. Denn die Anwältin ist Zeugin in der Sache, die den Ausschuss umtreibt.

Die Enthüllung hat im Saal der Katholischen Akademie verblüfftes Gelächter ausgelöst und der Zeugin Baumeister eine Pause eingebracht, weil jetzt alle erst mal beraten müssen, wie man mit dem Fall umgeht. Die Sache ist die: Am 21. September 1994 hat die damalige CDU-Schatzmeisterin Baumeister den damaligen Unionsfraktionschef Wolfgang Schäuble bei einem Essen in Bonn mit ein paar potenziellen CDU-Spendern zusammengebracht. Gäste bei diesem Essen waren der Waffenhändler Karlheinz Schreiber und Frau; im Gefolge des Diners kam es zur berühmten 100 000-Mark-Spende Schreibers an Schäuble. Gäste bei dem Essen aber waren auch Herr und Frau Borggreve - er als Geschäftsführer von Kleinwort Benson, der Investment-Tochter der Dresdner Bank, sie als Gattin. Und als Schäubles Tischnachbarin.

Der Ausschuss löst das Problem salomonisch: Die Anwältin wird zur Zeugin bestellt, muss vorerst aus dem Saal, und Frau Baumeister nimmt mit dem Anwaltsmitarbeiter Klotz vorlieb. Merkwürdig finden etliche Ausschuss-Mitglieder den Vorgang trotzdem, denn eine Anwältin müsste wissen, dass Zeugen nicht dabei sein sollen, wenn andere Zeugen gerade aussagen. Die Vernehmung ergibt freilich nur, dass die Anwältin ihrer Mandantin Baumeister glaubt und dem Gegner Schäuble nicht.

Vieles bleibt merkwürdig in diesen zwei Tagen, an denen sich der Ausschuss müht, den "Fall Schäuble/Baumeister" wenigstens aufzuhellen. Doch die Kontrahenten bleiben bei dem, was sie schon im Februar eidesstattlich versichert haben. Schäuble hat am Donnerstag bis tief in die Nacht hinein wieder und wieder dargelegt, dass Schreiber ihm jene 100 000 Mark in Scheinen am Tag nach dem Spender-Essen im Bonner Hotel Königshof in sein Büro gebracht und er den Umschlag anschließend Baumeister übergeben habe. Baumeister legt am Freitag wieder und wieder dar, dass sie im Oktober - also etwa drei Wochen später - bei Schreiber in Augsburg gewesen sei, dort einen Umschlag bekommen habe, den kurz nach der Bundestagswahl am 16. Oktober 1994 Schäuble in Bonn übergeben und dann von ihm einen kleineren Umschlag zurückbekommen habe mit jenen 100 000 Mark.

Wie es nun wirklich war - schwer zu sagen. Der Zeuge Schäuble antwortet mit harter, kühler Präzision, die die Lust auf Nachfragen erkennbar dämpft. Nur der Grüne Hans-Christian Ströbele bleibt hartnäckig, aber dem sagt Schäuble schon gleich gar nichts, sondern erinnert mehrfach daran, dass der Ex-RAF-Anwalt ja vorbestraft sei. Ströbele war 1982 zu zehn Monaten auf Bewährung wegen Unterstützung einer kriminellen Vereinigung verurteilt worden.Die Zeugin Baumeister wird vom Ausschuss sehr viel härter angefasst, wirkt manchmal fahrig und konfus. Aber in der Sache erscheint die eine Aussage nicht schlüssiger als die andere.

Dass Schäuble den ganzen Vorgang als Intrige gegen sich wertet und Baumeister indirekt für einen Teil dieser Verschwörung erklärt, macht den Fall nicht klarer. Umgekehrt berichtet Baumeister darüber, wie der Parteivorsitzende Helmut Kohl sie 1997 auf eine Schreiber-Spende angesprochen und am gleichen Tag ein "unwirscher" Schäuble bei ihr angerufen habe ("Der Dicke war hier!"), der nicht glücklich gewirkt habe, dass Kohl von jener Spende wusste. Und Schäuble, sagt Baumeister, habe sie wenig später auch dazu bringen wollen, ihm nicht nur die Übergabe jener 100 000 Mark zu bescheinigen - was sie tat -, sondern auch zu bezeugen, er habe sie aufgefordert, Schreiber eine Spendenquittung zu geben. Das habe sie ihm nicht bescheinigt, weil Schäuble das nicht gefordert habe.

"Einer lügt", sagt der SPD-Mann Friedhelm Julius Beucher. Aber wer? Das vorläufige Ergebnis der Befragung reicht nicht einmal zum Indizienbeweis. So wird es vielleicht doch zur Gegenüberstellung kommen, wie sie die Ausschussmehrheit aus SPD und Grünen fordert. Am Freitag war Schäuble verhindert, aus persönlichen und verständlichen Gründen. Und wenn auch die direkte Konfrontation das Rätsel nicht löst, endet der Fall wohl irgendwann einmal vor Gericht.

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