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Der Bund will die sichtbare Polizeipräsenz zurückfahren.

© dpa

Nach Terrorwarnung: "Ausermittelt" und im Sand verlaufen

Bundesinnenminister de Maizière will trotz weiter bestehender Terrorgefahr die sichtbare Polizeipräsenz zurückfahren. Diese Maßnahme sei zu verantworten, "wenngleich kein Anlass zur Entwarnung besteht".

Von Robert Birnbaum

Berlin - Thomas de Maizière (CDU) legt von jeher Wert auf präzise Ausdrucksweise, aber diesmal wägt er seine Worte ganz besonders genau. Es gebe, sagt der Innenminister am Dienstag in einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz, in Sachen terroristischer Bedrohung nach wie vor „keinen Anlass zur Entwarnung“ – gleichwohl sei es zu verantworten, die „öffentlich wahrnehmbare polizeiliche Präsenz zurückzufahren“. Eine Entwarnung also, die keine Entwarnung sein soll? Das ist ein kompliziert anmutender Vorgang.

Wahrscheinlich ist er überhaupt nur verständlich vor dem Hintergrund des Aufsehens, das de Maizière mit der Warnung erregte, die er am 7. November öffentlich verkündet hatte: Es gebe konkrete Hinweise auf einen zum Monatsende geplanten Anschlag in Deutschland. Wenig später zogen sich um den Reichstag Absperrgitter, Besucher kamen erst gar nicht und dann nur nach strengen Kontrollen ins Parlament, und auf Bahnhöfen und an Flughäfen patrouillierten Polizisten in Schutzweste und mit Maschinenpistolen.

Die Warnung erregte auch deshalb so viel Aufsehen, weil de Maizière anders als sein Vorgänger Wolfgang Schäuble (CDU) nicht ständig vor Terrorgefahren gewarnt hatte. Der Neue wollte nicht den scharfen Wachhund geben. Um so schriller klang sein Alarmruf – was ihn einerseits dem Verdacht der Übertreibung aussetzte, andererseits der Unterstellung, er wolle ein Image korrigieren, das in den eigenen Reihen als Bruch mit einer politisch-wahltaktisch durchaus erfolgreichen Traditionslinie kritisiert wurde.

De Maizière betont denn auch, dass der Hinweis auf einen Anschlag Ende November „ernst zu nehmend“ gewesen sei, eine Sicht der Dinge, die alle Sicherheitsbehörden des Bundes und auch die Länder geteilt hätten. Inzwischen sei die Sache aber „ausermittelt“ mit dem Ergebnis, dass in dieser Sache keine Gefahr bestehe. Ob sie je bestand? Und ob sie durch die massive Polizeipräsenz abgewendet wurde? „Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, dass unsere Maßnahmen einen Anschlag verhindert haben“, räumt der Minister ehrlicherweise ein, besteht aber darauf: „Gewirkt haben sie allemal.“

Tatsächlich ist bis heute nicht klar, ob konkret eine Gefahr bestand. Mehrere Indizien, heißt es in Sicherheitskreisen, kamen damals zusammen – wiederholte Hinweise von US-Diensten auf islamistische Schläferzellen in Deutschland, Hinweise aus indischen Sicherheitskreisen und Tipps eines Hinweisgebers aus dem Szene-Umfeld, der sich an die deutschen Behörden gewandt hatte. Aus alledem destillierte sich ein Bild, das eine Neuauflage des Überfalls im indischen Mumbai befürchten ließ, bei dem Terroristen mit leichten Waffen und Sprengstoff den Bahnhof und eine Hotelanlage attackiert hatten. Konkret gab es einen Hinweis auf „Gebäude des deutschen Parlaments“ – also nicht nur, aber eventuell auch den Reichstag. Dazu kamen Warnungen vor Pakistanis, die angeblich um Neujahr herum einen Anschlag planten.

Doch alle Spuren, die die Behörden danach verfolgten, verliefen im Sand. Der Tippgeber hat auf Angebote, nach Deutschland zu kommen und sich dort genauer befragen zu lassen, nicht reagiert; seit Mitte Dezember ist der Kontakt abgebrochen. „Dieser Strang ist seitdem abgeschnitten“, sagt ein hochrangiger Sicherheitsexperte. Eine Durchsuchung von einem Dutzend Objekten im Umkreis von Wuppertal, bei der auch Personen aus seinem Familienumfeld vernommen wurden, ergab vorige Woche zunächst ebenfalls nichts Neues.

De Maizière entschied daraufhin, die martialische Polizeipräsenz allmählich wieder auf Normalmaß zu reduzieren. Sein Staatssekretär informierte am Morgen die Länder. Rund um den Reichstag bleibt es trotzdem vorerst bei Absperrungen und Sonderkontrollen; der Ältestenrat tagt erst nächste Woche. Auch de Maizière behielt sich vor, jederzeit „anlassbezogen“ die Sicherheit wieder zu erhöhen. Wieder vor Kameras treten will er dann aber eher nicht. „Auch öffentliche Ankündigungen und Warnungen dürfen nicht berechenbar sein“, sagt der Minister.

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