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From Gaza with love

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Nahost: "From Gaza, with love" - Blogs berichten vom Krieg

Raketenbeschuss non-stop, dröhnende Detonationen vor der Haustür, Bilder von verkohlten Babyleichen: Was Blogger aus dem Gazastreifen berichten, klingt grausam bis unglaublich. Ein Überblick.

"Breaking News: Fünf Palästiner nach Bombenangriff auf die Mus'abBin Umair Moschee im Norden des Gazastreifens getötet. Breaking News: Fünf Palästiner der Familie Bakr im Westen von Gaza-Stadt getötet. Die Mutter und ihre vier Kinder starben durch eine F16 Rakete. Breaking News: 17 Menschen der Familie Al-Atatra im Norden von Gaza getötet…" Eine tödliche Eilmeldung jagt die nächste. Sameh Habeeb, der diese Zeilen auf dem Blog "From Gaza with Love" gepostet hat, ist Bewohner des Gazastreifens. Wie er schreiben viele palästinensische Blogger ihre Erfahrungen im Netz nieder - wenn die Stromversorgung gerade mitspielt.

Mittlerweile berühmt geworden ist die Seite "Life must go on in Gaza and Sderot" der Blogger Hope Man und Peace Man. Die beiden sind Freunde - und das wollen sie der Welt zeigen. Denn sie trennt nicht nur der Zaun zwischen Gazastreifen und Israel. Seit über zwei Jahren schreiben sie gemeinsam aus den zwei unversöhnlichen Welten. Der eine, Hope Man, berichtet als Jude aus Sderot. Die Stadt liegt im Süden Israels und wird im Moment täglich zum Ziel von Kassam-Raketen, die militante Palästinenser aus dem Gazastreifen abfeuern. Der andere, Peace Man, berichtet direkt aus dem Gazastreifen, er lebt dort im Flüchtlingslager Sadschaja.

"Beständige Angst und Alarmbereitschaft"

Eigentlich telefonieren die beiden täglich. Peace Man aber muss zurzeit fast ohne Strom auskommen, er kann sein Handy nicht aufladen. Wenn der Aku einmal voll ist, begibt er sich an exponierte Stellen, um seinen Freund zu erreichen, denn an vielen anderen Orten ist der Empfang unmöglich. Hope Man berichtet noch am 10. Januar von einer "entsetzlichen Realität" im Kriegsgebiet und davon, dass auf israelischer Seite eine Million Menschen durch die palästinensischen Raketen um Haus, Besitz und Leben fürchten: "Der Krieg hat im größten Teil des südlichen Israels Chaos angerichtet. Die Menschen leben in beständiger Angst und Alarmbereitschaft."

Trotz anhaltender Bombeneinschläge ist Hope Man mit Frau und Kindern zu Hause in Sderot. "Die Raketen schlagen noch immer ein, aber es fühlt sich gut an, zu Hause zu sein. Trotz der Gefahr." Während er den Eintrag schreibt, hört Hope Man die nahen Kämpfe - "Detonationen und Flugzeuge, Schüsse und Helikopter."

"Die Angreifer machen keinen Unterschied zwischen Zivilisten und Militärs"

Peace Man dagegen schrieb am 7. Januar das letzte Mal auf dem gemeinsamen Blog. Davor hatte es sechs Tage lang keine Elektrizität gegeben. Er berichtet von den Zerstörungen aller Regierungsgebäude. "Die Angreifer machen keinen Unterschied zwischen Zivilisten, Militärs oder Kindern", so Peace Man.

Diesen Eindruck vermitteln auch die Bilder auf der Seite "Palestine Free Voice". Auf einem Foto ist ein vollkommen verkohlter Babyleichnam zu sehen. Ein Palästinenser stemmt anklagend das Kind in die Höhe - außer sich und mit verzerrtem Gesicht.

Der Vorwurf der Blogger von "Palestine Free Voice": Die israelische Armee setze Phosphorbomben gegen die Bewohner des Gazastreifens ein. Bereits vor einigen Tagen rief die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch dazu auf, den Einsatz der weltweit geächteten chemischen Waffe zu verbieten.

Phosphor frisst sich durch Haut und Knochen

Sicher ist, dass Israel das Mittel im Libanon-Krieg 2006 anwandte. Der Vorteil für das Militär: Bei Abwurf der Granaten baut sich eine leuchtend weiße Wand auf, hinter der sich jegliche Bewegungen der Bodentruppen verstecken lassen. Besonders perfide aber für die Opfer: Einmal in Brand gesteckt, frisst das Phosphor sich durch Haut und Knochen. Das Feuer kann mit Wasser nicht gelöscht werden. Von einem solchen Brand zeugt das Bild des Babys - wenn es sich nicht um eine Fälschung handelt.

Muhammed Al Ja'bawi berichtet am 13. Januar auf "Alive in Gaza": "Die Situation verschlimmert sich jeden Tag. Ich finde keine Worte, um zu beschreiben, was hier passiert. Norden und Osten des Gazastreifens ist non-stop unter Beschuss." Er musste sein Haus evakuieren, als die Schüsse immer näher kamen. Nun ist Al Ja'bawi in einer Schule des UNRWA (Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten) untergebracht. Erleichtert konstatiert er: "Zum Glück sind keine Hamas-Einrichtungen in der Nähe der Schule. Nichts desto trotz wissen wir nicht, was der Morgen für uns bereithält."

Da geht es ihm wie allen anderen Menschen im kriegsgebeutelten Gazastreifen. Peace Man beendet seinen letzten Bericht aus dem Gazastreifen vor sieben Tagen mit den Worten: "Ich hoffe, ich habe die Chance, Euch wieder zu schreiben." Bisher gibt es keinen neuen Eintrag.

Marie Preuß

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