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Nahost: Führungskrise verschärft

Der israelische Angriff auf ein Gefängnis in Jericho hat die Führungskrise bei den Palästinensern weiter verschärft. Die Existenz der Autonomiebehörde wird in Frage gestellt.

Ramallah/Washington - Während neue Forderungen nach einem Rücktritt von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas laut wurden, stellte der palästinensische Chefunterhändler Sajeb Erekat am Donnerstag die Existenz der Autonomiebehörde in Frage. «Wir prüfen sorgfältig die Zukunft der Behörde», sagte Erakat in Ramallah. Bei einem heftigen Feuergefecht mit militanten Palästinensern wurde in Dschenin im nördlichen Westjordanland ein israelischer Soldat getötet.

Der Beauftragte des Nahost-Quartetts, James Wolfensohn, warnte vor einer Einstellung der internationalen Finanzhilfen für die Palästinenser. Nach einer Regierungsübernahme durch die radikal- islamische Hamas solle das bisherige System noch einige Wochen fortgesetzt werden, sagte Wolfensohn bei einer Anhörung in Washington. Die Autonomiebehörde stehe vor einem finanziellen Kollaps, falls die Unterstützung eingestellt werden sollte.

Wolfensohn bezeichnete die Situation nach dem Hamas-Sieg als Dilemma. Einerseits sollte keine Finanzhilfe gezahlt werden, solange Hamas nicht auf Gewalt verzichte und Israel anerkenne. Andererseits sei Frieden nur schwer vorstellbar, wenn eine Million Palästinenser- Kinder wegen geschlossener Schulen auf der Straße stünden, es in den Palästinensergebieten keine Gesundheitsversorgung mehr gebe und die Infrastruktur zusammenbreche.

"Sie verlangen von uns einzuhalten, was Israel bricht"

Hamas drohte angesichts stockender Verhandlungen mit einem Abbruch der Koalitionsgespräche und der Bildung einer Regierung ohne die Fatah. Notfalls werde Hamas ein Kabinett nur aus eigenen Politikern, Technokraten und Vertretern kleiner Parteien bilden, sagte Hamas- Sprecher Sami Abu Suhri in Gaza. Seine Organisation wolle den anderen im Parlament vertreten Parteien ein überarbeitetes Regierungsprogramm vorlegen und erwarte dann eine endgültige Antwort.

Nach ihrem Sieg bei der Parlamentswahl hielt die Hamas in ihrem zuletzt vorlegten Programm am bewaffneten Kampf gegen Israel fest. Dagegen wurden die wichtigsten bisher im Nahost-Konflikt ausgehandelten Abkommen nicht erwähnt. Abbas hatte den Auftrag zur Regierungsbildung an den Hamas-Führer Ismail Hanija an die Übernahme der Abkommen geknüpft. «Diese Abkommen beinhalten eine klare Anerkennung Israels, was wir völlig ablehnen», sagte Abu Suhri.

Israelische Soldaten hatten am Dienstag in Jericho den inhaftierten Palästinenserführer Ahmed Saadat und mehrere Gefolgsleute aus der Haftanstalt in ihre Gewalt gebracht. Erekat sagte, der Einsatz sei Teil eines Planes zur Zerstörung der palästinensischen Autonomiebehörde. «Sie verlangen von uns die Einhaltung der Abkommen, und wenn Israel sie schamlos bricht, sagt niemand etwas», sagte Erekat. (tso/dpa)

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