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Politik: Nahost: Kein Frieden mit Arafat

Gefechte um Arafats Amtssitz in Ramallah, neue Selbstmordattentate in Jerusalem. Alle Hoffnungen, die sich zu Wochenbeginn auf den Arabischen Gipfel gerichtet hatten, haben sich zerschlagen.

Gefechte um Arafats Amtssitz in Ramallah, neue Selbstmordattentate in Jerusalem. Alle Hoffnungen, die sich zu Wochenbeginn auf den Arabischen Gipfel gerichtet hatten, haben sich zerschlagen. Am Karfreitag steigerten sich Terror und Vergeltung abermals.

Nach dem Anschlag in Netanja hat Israel Arafat offiziell zum Feind erklärt. Die drohend auf sein Büro gerichteten Panzerrohre, der Beschuss der Gebäude und die Festnahme engster Mitareiter sollen keineswegs nur Härte symbolisieren, sie sind Ausdruck der Stimmungslage: Der Druck auf die Regierung Scharon wächst, den Palästinenserpräsidenten und seine Behörde auszuschalten - ihn zu isolieren, ihn abermals ins Exil zu jagen oder gar ihn zu töten. Arafat selbst wird mit dem Schlimmsten gerechnet haben, er weiß am besten, welch zynisches Doppelspiel er betreibt - und ebenso, dass die Israelis (und Amerikaner) es wissen.

Nur in Europa scheinen viele seinen sanften Friedensworten noch Glauben zu schenken. Selbst wenn man Arafat zugute hält, dass er keine volle Kontrolle über die Extremisten von Hamas und Jihad haben kann: Der Selbstmordattentäter von Netanja stand seit langem ganz oben auf der Fahndungsliste, der PLO-Chef setzte ihn nicht fest. Zudem wurden viele Anschläge der letzten Zeit von den Al-Aqsa-Brigaden verübt, die ihm direkt unterstehen.

Für Israel kann Arafat kein Partner mehr sein, von dem es ernsthaft eine Lösung des Sicherheitsproblems erwarten darf. Die Zustimmung zur Einrichtung der autonomen Gebiete gilt heute als Eigentor, die Zahl der mörderischen Anschläge ist im Vergleich zur Zeit davor stark gestiegen. Noch begnügt sich Scharon, auch mit Rücksicht auf den Verbündeten Amerika, mit der vorletzten Eskalationsstufe: verschärfter Hausarrest für Arafat. Israel wird die autonomen Gebiete wohl auch nicht besetzen, sondern versuchen, das Terrorrisiko mit gezielten Einzelaktionen gegen potenzielle Täter und ihre Operationsbasis zu verringern.

Die "Libanisierung" ist dagegen Arafats Ziel - je mehr er Opfer ist, umso besser für sein Bild in der Welt. Der General Scharon wird sich nach seinen Libanon-Erfahrungen überlegen, ob ein solches Signal der Stärke nicht mehr Gefahren für die eigenen Soldaten mit sich bringt, als es Probleme löst - und irgendwann doch nur mit einem wenig heldenhaften Abzug endet. Weder Arafats Tod noch die Beseitigung der Autonomiebehörde noch die Besetzung ihrer Gebiete bringt eine Garantie für ein Ende des Terrors gegen Israel.

Nur: Mit Arafat gibt es offensichtlich auch keinen Fortschritt, nicht einmal einen verlässlichen Waffenstillstand. Den hat er schon zu oft versprochen. Die Israelis haben kein Gegenüber, das zu Kompromissen fähig ist und Zusagen durchsetzt. Auch die arabischen Staaten können das nicht ausgleichen, sie sind kein einiger politischer Faktor, wie der Arabische Gipfel gezeigt hat. Die Staatsoberhäupter Ägyptens und Jordaniens, die man für ein glaubwürdiges Angebot so dringend gebraucht hätte, weil ihre Länder bereits Frieden geschlossen haben, kamen erst gar nicht nach Beirut - wegen innerarabischer Rivalitäten. Der libanesische Gastgeber verhinderte Arafats Live-Auftritt via Fernsehschaltung. Der Syrer übernahm hinter den Kulissen die Rolle des Intriganten, der alle hoffnungsvollen Ansätze mit unannehmbaren Zusatzklauseln vergiftete.

Für die Palästinenser hatten sie alle nicht mehr als Rhetorik übrig. Wie schon seit über 50 Jahren möchte auch heute kein arabischer Staat wenigstens eine begrenzte Gruppe der angeblichen "Brüder" bei sich integrieren - etwa, um eine Lösung des Flüchtlings- und Rückkehrproblems zu erleichtern. Die Bruderküsse vor den Kameras wirkten da geradezu obszön. Zeichen des Entgegenkommens suchte man am Ende vergeblich, die hoch gelobte saudische Friedensinitiative kam über eine Bekräftigung altbekannter Standpunkte nicht hinaus.

Auf ein Osterwunder wird man im irdischen Palästina vergeblich warten. Man muss sich wohl damit abfinden, dass Fortschritte im Nahostkonflikt in der heutigen personellen Konstellation nicht möglich sind - und eine umfassende Friedenslösung schon gar nicht. Wenn das Wunder denn eines Tages eintritt, dann in der Zeit nach Arafat und nach Scharon.

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