zum Hauptinhalt

Politik: NATO droht nun doch mit Bodentruppen / Solana läßt Invasionspläne aktualisieren

WASHINGTON/BELGRAD/BRÜSSEL (Tsp).Die NATO hat parallel zum neuen russischen Vermittlungsversuch im Kosovo-Konflikt am Donnerstag den Druck auf den jugoslawischen Präsidenten Milosevic massiv erhöht.

WASHINGTON/BELGRAD/BRÜSSEL (Tsp).Die NATO hat parallel zum neuen russischen Vermittlungsversuch im Kosovo-Konflikt am Donnerstag den Druck auf den jugoslawischen Präsidenten Milosevic massiv erhöht.Bomben der Allianz zerstörten dessen Residenz in Belgrad.Zudem mehren sich vor Beginn des NATO-Jubiläumsgipfels in Washington die Anzeichen, daß die Allianz ihre Strategie doch in Richtung eines Einsatzes von Bodentruppen ändern könnte: Generalsekretär Solana veranlaßte mit US-Zustimmung die Aktualisierung der Pläne für eine Bodeninvasion.Bonn sprach sich abermals gegen den Einsatz von Bodentruppen aus.

Belgrad nannte den NATO-Angriff auf die jugoslawische Präsidentenvilla einen "Attentatsversuch".Nach US-Darstellung galt er nicht dem Leben von Milosevic.Es habe sich vielmehr um eine Attacke auf eine "Kommando- und Kontrollzentrale" gehandelt, so Pentagon-Sprecher Bacon in Washington.Sie zeige, daß die NATO ihren Druck auf die Belgrader Führung stetig erhöhe.Nach jugoslawischen Angaben waren Milosevic und seine Familie nicht in dem Haus, als die NATO-Bomben das Gebäude zerstörten.

Solana sagte der "Washington Post" die NATO müsse Belgrad zeigen, daß "alle Optionen auf dem Tisch liegen." Die bisher vorliegenden Pläne für den Einsatz von Landstreitkräften wurden im Sommer 1998 angefertigt.Sie gingen davon aus, daß eine Besetzung des Kosovo ein Heer von 75 000 Soldaten erfordern würde, eine Eroberung ganz Serbiens bis zu 200 000 Soldaten.Nach der Aktualisierung müßten sie noch im Detail ausgearbeitet werden, bevor eine Invasion erfolgen könnte.Nach Schätzung von Militärexperten würde es sechs Wochen bis sechs Monate dauern, um NATO-Bodentruppen in Stellung zu bringen.US-Verteidigungsminister Cohen sagte, Bodentruppen könnten "sehr schnell" entsandt werden.Die NATO will ab kommender Woche die Apache-Hubschrauber einsetzen, die inzwischen in Albanien eintrafen.

Ob ein Bodenkrieg in Frage käme, und wenn ja unter welchen Bedingungen, wollen die Staats- und Regierungschefs der NATO nach britischen Angaben am heutigen Freitag bei ihrem Gipfel in Washington diskutieren.Bislang lautete die Linie, die seit Luftangriffe würden ausreichen, damit die Kosovo-Flüchtlinge unter internationalem Schutz in ihre Heimat zurückkehren könnten.Die deutsche Regierung betonte, es gebe gegenwärtig keinerlei Option auf Bodentruppen.Frankreich nannte eine Debatte über Bodentruppen verfrüht und plädierte für die Ausweitung des Luftkriegs.

Der Moskauer Jugoslawien-Sonderbeauftragte Tschernomyrdin unterbreitete Milosevic "konkrete Vorschläge", die sowohl die Interessen der Konfliktparteien als auch Rußlands berücksichtigten, wie die russische Nachrichtenagentur Interfax unter Berufung auf informierte Kreise in Moskau meldete.Um ein Ende der Gewalt zu erreichen, sei die

Lösung eines künftigen Status des Kosovo und einer internationalen Militärpräsenz in dem Krisengebiet Voraussetzung, hieß es.Der russische Plan enthalte "keine grundsätzliche Ablehnung einer militärischen Komponente." Belgrads Außenminister Jovanovic sagte, seine Regierung sei für die Bemühungen Rußlands sehr dankbar.

Bundeskanzler Schröder bekräftigte die Forderung an Belgrad, seine Truppen komplett aus dem Kosovo zurückzuziehen sowie eine internationaler Friedenstruppe zuzulassen.Rußland wurde von Kanzler Schröder in einer Regierungserklärung zum 50.Jahrestag der NATO sowie von Verteidigungsminister Scharping (SPD), dessen Vorgänger Rühe (CDU), Außenminister Fischer (Grüne) und FDP-Chef Gerhardt im Bundestag aufgefordert, eine aktive Rolle für eine politische Lösung zu übernehmen.Die Organisation der Islamischen Konferenz unter Führung des iranischen Außenministers Charassi unterstützte die NATO-Forderungen.Bei dem Besuch in Bonn gab es einen Eklat: Auf der Fahrt zum Treffen wurde die Wagenkolonne Charassis mit Tomaten und Eiern beworfen.

Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR mahnte, die Evakuierung der Kosovo-Flüchtlinge aus Mazedonien gehe zu langsam voran.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false