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Ein Distelfalter in einem vom Borkenkäfer zerstörten Fichtenwald.

© Julian Stratenschulte/dpa

Natur in Deutschland 2020: "Schmetterlinge, Käfer, Libellen sind in einem kritischen Zustand"

Für etwa ein Drittel der Tierarten steht die Ampel auf Rot, sagt Umweltministerin Schulze. Sie sieht die Verantwortung auch bei der intensiven Landwirtschaft.

Zu viele Pestizide, zu viel Dünger, das zu häufige Mähen von Wiesen und Weiden: Die intensive Landwirtschaft hat dazu geführt, dass in Deutschland viele Tiere und Pflanzen nicht mehr ausreichend Lebensraum finden. Das jedenfalls dokumentiert der Bericht zur Lage der Natur 2020, den Umweltministerin Svenja Schulze am Dienstag vorgestellt hat.

Die SPD-Politikerin spricht von einem „gravierenden Einbruch“ bei den Arten. „Schmetterlinge, Käfer und Libellen sind in einem kritischen Zustand“, sagt Schulze.

Bestände von Rebhuhn und Kiebitz "dramatisch" eingebrochen

Auch die Vogelarten in der Agrarlandschaft gelten als besondere „Sorgenkinder“, wie es in dem Bericht heißt. In den letzten 25 Jahren seien die bundesweiten Vorkommen von Rebhuhn und Kiebitz „dramatisch“ eingebrochen, auf ein Zehntel des Bestandes. Selbst ehemals häufige Vogelarten wie die Feldlerche oder der Star kommen heute viel seltener vor. Am Anfang der Kette stehe das Verschwinden artenreicher Wiesen und Weiden, sagt die Umweltministerin.

Der Bericht beruht auf Daten, die Behörden und ehrenamtliche Naturschützer zusammengetragen haben, darunter 14.000 Stichproben über den Zustand von Tieren und Pflanzen in geschützten Lebensräumen.

Zwar werden nur ein Bruchteil der mehr als 50.000 Arten betrachtet, die in Deutschland leben. Dennoch sei er repräsentativ genug, um Rückschlüsse zu ziehen, sagt Schulze. Alle sechs Jahre entsteht auf diesem Weg eine Art Bestandsaufnahme, wie es um die Natur in Deutschland bestellt ist.

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Für ein Drittel der Tierarten steht die Ampel auf rot

Etwa zwei Drittel der Arten und Lebensräume seien in einem unzureichenden oder schlechten Zustand, fasst die Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz, Beate Jessel, die Ergebnisse zusammen. Viel zu oft gehe es der Natur nicht gut, sagt auch Schulze. Für etwa ein Drittel der Tierarten stehe „die Ampel auf Rot“.

Dennoch sieht die Umweltministerin auch „Lichtblicke“. Seehund und Kegelrobbe in der Nordsee gehe es gut, auch dem Steinbock in den Alpen. Während die Vogelbestände in der Agrarlandschaft spürbar zurückgehen, nehmen sie im Wald und den Städten zu. Und die Buchenwälder, die als besonders klimaresistent gelten, seien ebenfalls in einem guten Zustand.

Anders sieht es bei vielen anderen Wäldern aus, denen die Dürresommer der letzten Jahre zugesetzt haben. Die Präsidentin des Bundesamts für Naturschutz sagt, sie sei „sehr skeptisch“, wenn nun Setzlinge zur Aufforstung gepflanzt würden. Wenn das Frühjahr wieder so trocken sei, würden die jungen Bäumchen vertrocknen.

Mehr Geld für Naturschutz

Um die Natur zu schützen, fordert die Umweltministerin eine „Trendwende“ in der Landwirtschaft. Der größte Hebel sei dabei die Agrarförderung der EU. Die Gelder müssten so eingesetzt werden, dass Landwirte „für das honoriert werden, was sie für die Gesellschaft tun.“

Wenn ein Acker nicht als solcher genutzt werde, sondern für den Naturschutz, zahle sich das unter dem Strich auch finanziell aus. Biologische Vielfalt, saubereres Grundwasser, ein Beitrag zum Klimaschutz, all so etwas sei sogar ein „geldwerter Vorteil“.

Schulze kündigte an, in diesem Jahr ein Insektenschutzgesetz umzusetzen, das unter anderem artenreiches Grünland und Streuobstwiesen besser schützen soll. Ihr Ministerium arbeite gerade „mit Hochdruck“ an einem entsprechenden Gesetzentwurf.

Mehr Engagement für die Natur hatte zuletzt auch die EU-Kommission von Deutschland gefordert. Im Februar hatte die Kommission ein laufendes Vertragsverletzungsverfahren verschärft. Der Vorwurf lautet, Deutschland tue nicht genug zur Umsetzung der Flora-Fauna-Habitat- Richtlinie zum Schutz wildlebender Tiere und Pflanzen.

Ob sich die Natur wegen des weltweiten Lockdowns in der Corona-Pandemie erholt, dazu gebe es noch keine belastbaren Daten, sagt die Präsidentin des Bundesamts für Naturschutz. Nach Ansicht der Umweltministerin ist es aber gerade in der Coronakrise wichtig, auf die Naturzerstörung als „Krise hinter der Krise“ hinzuweisen.

In den letzten Wochen sei die Wertschätzung für die Natur gewachsen. Sie habe deshalb die Hoffnung, dass der starke Wunsch nach einer intakten Natur auch nach der Pandemie bleibe. Auch im Kampf gegen den Klimawandel wirke der Naturschutz wie ein Impfstoff. „Eine intakte Natur ist Voraussetzung für eine krisenfeste Gesellschaft.“

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