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Politik: Neonazis bespitzeln ihre Gegner und bereiten Anschläge vor - Warnung vor Briefbomben

Zum Jahresende zeigt sich erneut, dass die Gefahr rechtsextremer Terroraktionen zunimmt. Das Landeskriminalamt Niedersachsen hat vor wenigen Tagen Mitglieder der linken Szene in Göttingen vor Briefbomben aus der Neonazi-Szene gewarnt, in Berlin tauchte letzte Woche eine schwarze Liste mit zahlreichen Namen potenzieller Attentatsopfer auf.

Von Frank Jansen

Zum Jahresende zeigt sich erneut, dass die Gefahr rechtsextremer Terroraktionen zunimmt. Das Landeskriminalamt Niedersachsen hat vor wenigen Tagen Mitglieder der linken Szene in Göttingen vor Briefbomben aus der Neonazi-Szene gewarnt, in Berlin tauchte letzte Woche eine schwarze Liste mit zahlreichen Namen potenzieller Attentatsopfer auf. Auch wenn zwischen beiden Vorfällen bislang kein direkter Zusammenhang bekannt ist, sind verbindende Strukturen erkennbar: Sowohl die Macher der Liste wie auch die Militanten der niedersächsischen Szene mischen bei der "Anti-Antifa"-Kampagne mit. Diese Spitzelaktivitäten werden über die Grenzen der Bundesrepublik hinaus betrieben und haben eine bedrohliche Dimension angenommen. Bei einer Durchsuchungsaktion im Oktober beschlagnahmten Polizei und Staatsanwaltschaft in Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen so große Mengen Anti-Antifa-Material, dass die Auswertung vermutlich noch Monate dauern wird.

Die Briefbomben-Warnung des LKA Niedersachsen markiert den vorläufigen Höhepunkt eines Kleinkrieges, den sich Rechte und Linke seit Jahren in der Region Göttingen liefern. Mit Thorsten Heise ist hier ein fanatischer Anführer der deutschen Neonazi-Szene aktiv, auf der Gegenseite agiert vor allem die "Antifa (M)", eine der härtesten Links-Gruppierungen in der Bundesrepublik. Mutmaßliche Täter aus dem autonomen Milieu zündeten Ende Oktober in Northeim den in einem Carport untergestellten Wagen von Heise an. Das Feuer zerstörte auch zahlreiche rechtsextreme CDs, die Heise gelagert hatte. Der Sachschaden belief sich auf 270 000 Mark. Zu der Tat bekannte sich eine "Antifaschistische Brigade Söderberg". Der Name soll auf den Terror schwedischer Neonazis hinweisen: Der Gewerkschafter Björn Söderberg wurde im Oktober mit sechs Schüssen umgebracht.

Mitte Dezember brannten unbekannte Täter ein rechtsextremes Schulungsheim im Landkreis Diepholz ab. Mit den Angriffen "steigt die Gefahr, dass Neonazis die Überlegenheit der Linken durch Verschärfung der Tatmittel ausgleichen", begründet Hans-Wilhelm Duvenhorst, Leiter der Abteilung Staatsschutz im LKA Niedersachsen, die Warnung vor rechten Sprengstoffanschlägen. Erst Ende November fand das Bundeskriminalamt bei der Durchsuchung von Wohnungen in Göttingen Anleitungen zum Bombenbau und entsprechende Einzelteile. Die vierköpfige Gruppe von Neonazis blieb allerdings auf freiem Fuß.

Mehrere, nur zum Teil bekannte Personen stecken hinter der "Wehrwolf"-Liste, die letzte Woche in Berlin aufgetaucht war. In dem Papier werden 54 Politiker mit Fotos und Adressen benannt, darunter Bundesaußenminister Joschka Fischer und CDU-Generalsekretärin Angela Merkel. Als weitere Anschlagsziele sind linke Gruppen, jüdische Einrichtungen, Verfassungsschutzämter und Parlamente aufgeführt. Berliner Gedenkstätten für Opfer des Naziregimes wurden eigens auf einem Stadtplan markiert. Die Strafverfolgungsbehörden bewerten die "Wehrwolf"-Liste als hinreichend gefährlich, um wegen des Verdachts auf Bildung einer kriminellen Vereinigung zu ermitteln.

Eine Spur zu den "Wehrwolf"-Autoren findet sich im Pamphlet selbst: Neben einer niederländischen Adresse wird die Publikation "Reichsruf" erwähnt. Dieses "Mitteilungsblatt für revolutionäre Nationalsozialisten" hat ein Rechtsextremist aus Rheinland-Pfalz zu verantworten, der durch illegalen Waffenbesitz, Schändung jüdischer Friedhöfe, Drohanrufe, Terror-Propaganda und Datensammelei im Rahmen der "Anti-Antifa"-Kampagne aufgefallen ist - und damit als eine Art Symbolfigur der Gefahr gelten kann, die von der Spitzelei militanter Neonazis ausgeht.

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