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Politik: Neuer Krieg in Somalia

Äthiopien bombardiert Flughäfen im Nachbarland / Warnung vor Destabilisierung der ganzen Region

Am Horn von Afrika tobt seit Weihnachten nun auch offiziell ein neuer Krieg. Am Dienstag zogen sich die Islamischen Gerichte, die den Süden des Landes beherrschen, aus zwei Städten nahe Äthiopien zurück. Am Sonntag und Montag hatten äthiopische Truppen zwei Flughäfen, einen davon in der Hauptstadt Mogadischu, bombardiert. Am Samstag hatte Äthiopiens Präsident Meles Zenawi in einer Ansprache erstmals zugegeben, dass Truppen zur Unterstützung der schwachen somalischen Übergangsregierung im Nachbarland sind. Bei den Kämpfen sollen Hunderte Menschen getötet worden sein. Das Internationale Rote Kreuz bestätigte rund 800 Verletzte. Über die Zahl der Toten gab es keine unabhängigen Angaben.

Vordergründig bekämpfen sich in Somalia zwei Gruppen: auf der einen Seite steht die wenig populäre Übergangsregierung, die in Baidoa residiert und international als Regierung anerkannt wird. Auf der anderen Seite steht die Rebellenbewegung Union der islamischen Gerichte (UIC), die Somalias Hauptstadt Mogadischu beherrscht und der Übergangsregierung zuletzt bedrohlich nahe gekommen war. Die Islamisten haben an Unterstützung gewonnen, nachdem sie im Juni die verhassten Warlords aus Mogadischu vertrieben und dort Ansätze einer staatlichen Ordnung etabliert haben.

Allerdings ist an dem Konflikt eine Reihe auswärtiger Parteien beteiligt. Auf der Seite der Übergangsregierung steht Äthiopien. Hinter Äthiopien stehen die USA, die ihrerseits die Macht der Islamisten am Horn von Afrika begrenzen wollen. Als Warnung dienen den Amerikanern die Anschläge auf ihre Botschaften in Kenia und Tansania 1998, in die Somalier verstrickt waren. Ein Indiz für den zunehmenden Einfluss der Islamisten sind zudem zwei Selbstmordanschläge auf die Übergangsregierung in Baidoa – ein Phänomen, das in Somalia bislang unbekannt war. Nach Angaben aus US-Sicherheitskreisen strömen Kämpfer aus anderen muslimischen Staaten über die Grenze von Somalia, um dem Aufruf der UIC zum heiligen Krieg gegen das christliche Äthiopien Folge zu leisten. Die Islamisten in Somalia, die sich seit Juni landesweit auf dem Vormarsch befinden, können auf die materielle Unterstützung von Äthiopiens Erzfeind Eritrea zählen. Zwischen beiden Ländern tobte jahrelang ein blutiger Grenzkrieg. Aber auch eine Reihe arabischer Staaten wie Libyen, Saudi-Arabien und der Iran stützen nach Informationen der Vereinten Nationen die UIC in Somalia und haben das gegen sie verhängte Waffenembargo systematisch unterlaufen.

Seit dem Sturz des Diktators Muhammad Siad Barre im Jahr 1991 hatte das Land keine Zentralgewalt mehr, sondern wird von rivalisierenden Clangruppen und Kriegsherren beherrscht. Die Islamisten sind deshalb populär, weil sie die Sicherheitslage in Mogadischu verbessert haben. Allerdings besteht ihr Ziel offenbar in der Herstellung eines Großsomalias. In der äthiopischen Ostprovinz Ogaden leben mehrheitlich ethnische Somalier. Zwischen 1960 und 1978 haben beide Länder drei Kriege um das umstrittene Gebiet geführt. Daneben wird auch der Norden Kenias von den somalischen Islamisten beansprucht. Unabhängige Beobachter wie Richard Cornwell vom südafrikanischen Institut für Sicherheitsstudien sind sich sicher, dass ein neuer Krieg zwischen Äthiopien und den Islamisten in Somalia schlimme Auswirkungen für die unter schweren Überflutungen leidende Region haben würde. Der Konflikt könnte nach Einschätzung von Matt Bryden, der bis vor kurzem für die International Crisis Group gearbeitet hat, „die Stabilität und Sicherheit des gesamten Horns von Afrika gefährden“.

Die Gefahr eines regionalen Flächenbrandes hat auch die Europäische Union alarmiert. Erst am vergangenen Mittwoch war der EU-Entwicklungskommissar Louis Michel nach Somalia gereist, um die Islamisten und die Übergangsregierung zu Friedensgesprächen zu bewegen. Am Wochenende forderte die finnische Ratspräsidentschaft die Konfliktparteien erfolglos zu einem sofortigen Ende der Kampfhandlungen auf. Der schwedische Außenminister Carl Bildt warnte, es „besteht die Gefahr, dass sich der Bürgerkrieg in Somalia zu einem regionalen Krieg entwickelt“. Der UN-Sicherheitsrat will in einer Dringlichkeitssitzung über die schweren Kämpfe beraten.

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