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Ein ernstes Jahr: Kanzler Olaf Scholz

© dpa/Markus Schreiber

Neujahrsansprache des Kanzlers: „Wir kommen auch mit Gegenwind zurecht“

Kanzler Olaf Scholz probiert wieder einmal, dem Land Hoffnung zu geben. Seine Neujahrsansprache ähnelt der aus dem vergangenen Jahr. Nun ist ein Krieg hinzugekommen.

„Halten wir auch im kommenden Jahr zusammen.“ Das war einer der letzten Sätze aus Kanzler Olaf Scholz‘ Neujahrsansprache aus dem vergangenen Jahr. Er hätte ihn wortgleich auch in diese Rede packen können. Der Satz hätte gepasst.

Wieder einmal versucht der Kanzler, dem verunsicherten Land Mut zu geben. Er erinnert an die Warnungen Ende 2022 vor Stromausfällen und kalten Wohnungen. „Es ist anders gekommen. Die Inflation ist gesunken. Löhne und Renten steigen. Die Gasspeicher sind für diesen Winter randvoll.“

Anders gekommen sei es, weil „wir uns gegen den Wirtschaftseinbruch gestemmt haben“, sagt der SPD-Politiker. „Weil wir Energie gespart und rechtzeitig vorgesorgt haben“, sagt er, es seien „wir alle“ gewesen. „Wir kommen auch mit Gegenwind zurecht“, findet Scholz.

Das „Wir“ als Gegenentwurf zum „Die“

Das „Wir“ von Scholz soll wohl ein Gegenentwurf zur beklagten Spaltung der Gesellschaft sein, die viele an den Wahlergebnissen der AfD festmachen. In Hessen kamen die Rechten bei der Landtagswahl auf 18,4 Prozent, in Bayern auf 14,6. Es ist also ein Argument gegen das „Die“ in „Die da oben“, in „Die in der Stadt“ oder „Die auf dem Land“. Ein „Wir“ gegen „die Anderen“.

Bislang aber ist die Erfolgsbilanz von Scholz‘ Appellen zum Zusammenhalt überschaubar. Die Ampelkoalition, die Scholz seit etwas mehr als zwei Jahren führt, ist unbeliebt. Derzeit würde nur rund ein Drittel der Bundesbürger sie wählen.

Scholz nennt drei Krisen

Die AfD liegt in Umfragen bei über 20 Prozent der Stimmen. 2024 wird in Sachsen, Thüringen und Brandenburg gewählt, in allen drei Ländern liegen die Rechtspopulisten derzeit mehrere Prozentpunkte vor allen anderen Parteien.

Dazu kommen die Krisen. Scholz nennt in seiner Neujahrsansprache drei: den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, die daraus resultierende Gaskrise und den Überfall der Hamas auf Israel. „So viel Leid, so viel Blutvergießen. Unsere Welt ist unruhiger und rauer geworden. Sie verändert sich in geradezu atemberaubender Geschwindigkeit“, sagt Scholz laut vorab verbreitetem Redemanuskript.

Wer, wenn nicht Ihr in Deutschland kriegt das hin?

Olaf Scholz werde das im Ausland oft gefragt.

Bei der Neujahrsansprache im vergangenen Jahr sagte er, Deutschland sei ein Land, das sich in schweren Zeiten unterhake. In diesem Jahr, in dem klar wurde, dass die Gesellschaft oft nicht findet, sie müsse zusammenhalten, sagt Scholz, Deutschland sei den Herausforderungen der Zeit gewachsen, weil andere Länder es Deutschland zutrauten. „Wer, wenn nicht Ihr in Deutschland kriegt das hin?“, würde Scholz im Ausland oft gefragt. „Und da ist etwas dran“, findet er.

Also zählt er auf, was die Regierung dieses Jahr, trotz des Schuldenbremsen-Urteils des Bundesverfassungsgerichts, für die Menschen im Land mache: 15 Milliarden Euro weniger Steuern für die arbeitende Mitte, höheres Kindergeld und Wohngeld, die Senkung der Sozialversicherungsbeiträge für Geringverdiener.

Vor allem die Europäische Union mache Deutschland stark, sagt Scholz. Sie sei ein „echtes Pfund“. „Darum ist es so wichtig, dass Europa geeint und gestärkt aus der Europawahl im kommenden Jahr hervorgeht“, sagt er.

Scholz appelliert an Respekt untereinander

Es ist offenbar die Aufforderung, die Europawahl nicht zu einer Denkzettel-Wahl zu machen. Implizit warnt Scholz vor Donald Trump. Im kommenden Jahr stehen in den USA Präsidentschaftswahlen an, „möglicherweise mit weitreichenden Konsequenzen – auch für uns hier in Europa“, sagt er.

Die Kommunikation seiner Koalition und die dauernden Streitereien rügt Scholz: Er hätte „auf manch laute Debatte“ durchaus „verzichten“ können, sagt er. Doch „ganz ohne Diskussionen über den richtigen Weg funktioniert Demokratie nicht“.

Es brauche jeden im Land. Spitzen-Forscherinnen genau wie Altenpfleger. „Wenn wir uns gegenseitig in diesem Respekt begegnen, dann brauchen wir keine Angst zu haben vor der Zukunft“, sagt Scholz. Dann könne es ein gutes Jahr werden. Er hätte genauso gut sagen können: „Halten wir auch im kommenden Jahr zusammen.“

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