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Politik: Nicht draufhauen

Wie die SPD-Spitze die Gewerkschaften zurückgewinnen will

Von Hans Monath

Berlin - Wilhelm Schmidt ist im Berliner Regierungsmilieu als ein Politiker bekannt, der sein Geschäft sachlich und mit analytischer Klarheit erledigt. Wenn der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion plötzlich öffentlich sein Herz ausschüttet, spürt deshalb jeder, dass er seine Partei tatsächlich an einem Scheideweg angekommen sieht. „Immer ratloser“ sei er angesichts der Realitätsferne vieler Gewerkschaftsführer und deren Schmähattacken auf die Reformpolitik, sagte Schmidt am Mittwoch. „Wirklich tief“ treffen den Abgeordneten Vorwürfe von Gewerkschaftern seines Wahlkreises Salzgitter, wonach er seine Basis im Stich gelassen habe. Einen Tag vor dem wichtigen Treffen von SPD-Chef Franz Müntefering mit DGB-Chef Michael Sommer konnte der gewöhnlich sehr exakt formulierende Sozialdemokrat denn auch nur eine äußerst vage Lösung des Problems anbieten: „Wir hoffen irgendwann auf die Einsicht und die Mitarbeit der Gewerkschaften, weil die Reformen anders nur schlecht umzusetzen sind.“ Zeichen von Einsicht oder Mitarbeit aber sind wohl das Letzte, was wichtige Gewerkschaftsführer wie Jürgen Peters (IG Metall) oder Frank Bsirske (Verdi) im Vorfeld des SPD-Gewerkschaftsrates – des Treffens der SPD-Spitze mit wichtigen Gewerkschaftschefs – am Montag in die Welt setzen wollen. Außer einem Dialog kann Müntefering den früheren Bündnispartnern wenig anbieten. Denn das Mantra der SPD-Politik brachte Regierungssprecher Bela Anda auf die Formel: „Einen Politikwechsel wird es nicht geben und kann es nicht geben, weil die Maßnahmen richtig sind.“

Fast verzweifelt versucht die Partei, den Gesprächsfaden zu halten. In den Worten von Wilhelm Schmidt: „Da muss man reden, reden, reden und nicht draufhauen, schon gar nicht öffentlich.“ Nur der Kanzler erlaubte sich, seine Kritiker in die Schranken zu weisen. Müntefering aber, der die Unabhängigkeit der SPD von der Regierung betont und im „Stern“ erklärte, er wolle auch nach einer Abwahl Schröders Parteichef bleiben, vermeidet aus Angst vor dem Bruch harte Kritik an den Gewerkschaftern.

Aufmerksam wird in der Regierung verfolgt, dass die beiden Initiativen zur Gründung einer linken Alternative zur SPD auch von Funktionären aus den Vorstandsverwaltungen von IG Metall und der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi getragen und unterstützt werden. Sobald diese offen eine Gegengründung propagierten, müsse „auch ein erkennbarer Schnitt“ erfolgen, heißt es in der Regierung. Denn der Verweis auf noch schmerzlichere Eingriffe einer künftigen Regierung aus Union und FDP lässt viele Gewerkschafter kalt: „Die Argumentation vom kleineren Übel verfängt im Moment nicht“, gesteht ein Koalitionär ein.

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