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Einer der getöteten Demonstranten wird in Bagdad beigesetzt.

© Haidar HAMDANI / AFP

„Nicht identifizierte Scharfschützen“: 16 Tote durch Schüsse bei Protesten gegen irakische Regierung

In Bagdad sind wieder Schüsse gefallen, 16 Menschen starben. Die Vereinten Nationen warnen vor „maskierten Männern“ und „nicht identifizierten Scharfschützen“.

Unbekannte Schützen haben in der irakischen Hauptstadt Bagdad auf Demonstranten gefeuert und nach Angaben von Augenzeugen mindestens 16 Menschen getötet und rund 100 weitere verletzt. Demonstranten berichteten der Deutschen Presse-Agentur, dass Bewaffnete am Freitag aus vier Fahrzeugen auf Protestler am zentralen Al-Chalani-Platz gefeuert hätten. Dort sei Panik ausgebrochen. Die Menschen seien unter schwerem Beschuss in Gassen rund um den Platz geflohen, sagten Augenzeugen.

Nach Angaben des Innenministeriums wurden durch die Schüsse vier Zivilisten getötet und 80 weitere verletzt. Wer hinter der Attacke steckt, war zunächst unklar. Das irakische Staatsfernsehen bezeichnete die Angreifer als „nicht identifizierte Männer“. Die irakischen Behörden kündigten an, den Angriff zu untersuchen. Zuvor hatte die UN-Sonderbeauftragte für den Irak, Jeanine Hennis-Plasschaert, bereits mangelende Aufklärung beklagt und von „maskierten Männern“ und „nicht identifizierten Scharfschützen“ bei Protesten gesprochen.

Im Irak protestieren die Menschen seit Anfang Oktober gegen Misswirtschaft und Korruption. Ministerpräsident Adel Abdel Mahdi hatte daraufhin seinen Rücktritt eingereicht. Nach Zählung der vom Parlament gewählten Menschenrechtskommission wurden in den vergangenen zwei Monaten bei regierungskritischen Protesten mehr als 460 Menschen getötet und mehr als 20 000 verletzt.

Am Samstag waren am Al-Chalani-Platz und in der umliegenden Gegend Soldaten im Einsatz, um Demonstranten zu schützen, erklärte der Leiter der Sicherheitskräfte nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur INA. Nach Augenzeugenberichten verhielten sich die Protestler dort ruhig. Dutzende seien zudem zur Beerdigung eines der Todesopfer vom Freitag erschienen. Sie hätten „Vergeltung“ gefordert.

In der Stadt Nadschaf im Süden des Landes griffen Unbekannte das Büro des einflussreichen schiitischen Geistlichen Muktada al-Sadr an. Quellen aus seinem Umfeld sagten der dpa, dass die Angreifer eine mit Sprengstoff beladene Drohne am Samstag in die Gegend hätten fliegen lassen. Am selben Tag hätten Angreifer dort aus zwei Autos Schüsse abgefeuert, bevor Sicherheitskräfte sie in die Flucht schlugen. Verletzt wurde bei beiden Attacken niemand.

Al-Sadrs Block war bei der Parlamentswahl im Mai 2018 als stärkste politische Kraft hervorgegangen. Dieser stellt die meisten Abgeordneten in der 329 Sitze zählenden Versammlung. Al-Sadr unterstützt die Massenproteste im Land und hat sich dafür ausgesprochen, eine Regierung aus Technokraten zu bilden. Das wäre ein Novum im Irak, wo Regierungen seit dem Sturz von Diktator Saddam Hussein im Jahr 2003 nach einem Proporzsystem zwischen den religiösen Gruppen aufgestellt werden. (dpa)

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