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Politik: „Nicht nur Skandale“

Berlins Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner über Qualität in Heimen

Berlins Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner über Qualität in Heimen

In Berlin soll es erstmals einen öffentlichen Qualitätsvergleich der Pflegeheime geben. Das hat der Runde Tisch kürzlich beschlossen, zu dem Sie Heimbetreiber, Pflegekassen und den Landespflegeausschuss eingeladen haben. Dieses bundesweit einmalige Projekt soll in Kooperation mit dem Tagesspiegel entstehen. Warum gerade jetzt?

Der Ruf der Pflegeeinrichtungen hat unter den Negativschlagzeilen der letzten Zeit stark gelitten. Dabei wurde aus Einzelfällen auf die gesamte Branche geschlossen – obwohl die Pflegerinnen und Pfleger in den meisten Heimen eine hervorragende Arbeit leisten. Die wenigen Skandale sind im Vergleich zur Gesamtzahl der betreuten Menschen gering. Allerdings gibt es da auch eine große Dunkelziffer. Gerade die häufig zu geringe Personalausstattung, die nur einen minimalen Zeitaufwand für die Pflege des einzelnen Bewohners erlaubt, führt zu Problemen, die zwar unterhalb der Skandalgrenze bleiben, aber die Lebensqualität stark beeinträchtigen. Das alles muss offen gelegt werden.

Welche Kriterien könnten Aufschluss über die Betreuungsqualität in Heimen geben?

Der Heimvergleich sollte maximal zehn Kriterien darstellen, um für Laien noch verständlich und überschaubar zu bleiben. Und die sollten unterschiedlichste Bereiche abbilden, zum Beispiel das Personal: Wie viele Pflegebedürftige kommen auf eine Pflegekraft, wie hoch ist der Anteil der Fachkräfte und wie hoch der Anteil von Leasingpersonal? Oder die ärztliche Versorgung: Sind Ärzte ständig verfügbar oder gibt es im Heim festangestellte Mediziner? Auch die Unterbringung, wie etwa der Anteil von Einbettzimmern, und die Preise werden in den Vergleich mit einfließen.

Es gibt auch harte Parameter, um die Pflegequalität zu messen, etwa den Anteil von Heimbewohnern mit Druckgeschwüren oder die Zahl der mit einer Magensonde ernährten Patienten. Kann man diese für den Heimvergleich heranziehen?

Der Medizinische Dienst der Krankenkassen hat zugesagt, bis zur Sommerpause Vorschläge für solche Indikatoren vorzulegen. Ich möchte dem nicht vorgreifen.

Haben die Heimbetreiber gegen die Offenlegung von Qualitätsdaten nicht auch Bedenken, vor allem wenn sie wie in Berlin eine starke Konkurrenz fürchten müssen?

Mein Eindruck nach dem Runden Tisch ist, dass sich ein Großteil der 278 stationären Berliner Pflegeeinrichtungen an dem Qualitätsvergleich beteiligen wird. Den meisten Betreibern ist klar: Entweder sie machen bei der Transparenzoffensive mit oder sie haben verloren.

Heimaufsicht und Medizinischer Dienst der Krankenkassen sammeln auch Angaben zur Qualität in Pflegeheimen. Wären solche Berichte nicht auch von Interesse für die Öffentlichkeit?

Ja, ganz sicher. Aber erstens wären diese Berichte in der jetzigen Form für Nutzerinnen und Nutzer nicht lesbar. Und zweitens dürfen Daten nur für den Zweck verwendet werden, zu dem sie auch erhoben wurden. Für zusätzliche Nutzungen bedürfte es entsprechender bundesgesetzlicher Regelungen. Berlin hat daher initiiert, dass im Rahmen der Reform der Pflegeversicherung die für die Veröffentlichung der Prüfergebnisse notwendigen gesetzlichen Grundlagen geschaffen werden sollen. Die Sozialminister aller anderen Bundesländer haben sich dieser Forderung angeschlossen.

Wann soll der erste Berliner Heimqualitätsvergleich vorliegen?

Ziel ist, die Pflegeberichte im Herbst 2007 zu veröffentlichen. Die Zeit drängt, denn wir können es uns nicht länger leisten, über die Pflegeheime nur in Zusammenhang mit Skandalen zu reden.

Wie sieht es in Berlin mit der Kapazität der Pflegeheime aus?

Es gibt in Berlin ausreichend stationäre Pflegeheimplätze. Bis 2020 ist auch der durch den demografischen Wandel wachsende Bedarf berücksichtigt. Derzeit gibt es rund 27 000 Plätze. 3000 neue Betten sind in Planung, überwiegend von privaten Trägern. Das zeigt, dass man offensichtlich mit Pflegeheimen Geld verdienen kann. In kommunaler Trägerschaft sind nur relativ wenige Einrichtungen, die meisten davon – insgesamt zwölf mit rund 1700 Plätzen – sind im Forum für Senioren des landeseigenen Klinikkonzerns Vivantes zusammengeschlossen.

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