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Parteienvielfalt. Bei den bevorstehenden Parlamentswahlen in den Niederlanden gibt es keine Fünf-Prozent-Hürde.

© dapd

Niederlande: Stunde der Skeptiker

In den Niederlanden wird nächste Woche ein neues Parlament gewählt. Euro-kritische Töne bestimmen die Kampagnen der Parteien.

Am 12. September finden in den Niederlanden vorgezogene Parlamentswahlen statt. Und zweifellos geht es dabei um mehr als die Frage, welche Koalition künftig in Den Haag regiert oder wie das Parlament sich ab dem Herbst zusammensetzt. Zur Abstimmung steht nicht weniger als der gesellschaftlich-wirtschaftliche Kurs des Landes – und damit das Rezept, mit dem man in den Niederlanden die Folgen der Finanzkrise endlich in den Griff bekommen will.

„Optimismus oder Pessismismus?“ – mit diesem Slogan hatte Mark Rutte, der amtierende Regierungschef der rechtsliberalen VVD, den Wahlkampf eröffnet. Die VVD plant eine Fortsetzung des radikalen Sparkurses aus der Zeit ihrer Regierungsführung, die im April nach anderthalb Jahren just am Konflikt um neue Einsparungen gescheitert war. Nun plant die VVD weitere Kürzungen in Höhe von 24 Milliarden Euro; zudem ist eine Erhöhung der Mehrwertsteuer geplant. Auf den Wahlplakaten der VVD wird denn auch die Frage gestellt: „Ärmel hochkrempeln oder Hand aufhalten?“

Im Rennen um die Macht machen sich auch die Sozialisten Hoffnungen. Die Sozialisten unter ihrem Spitzenkandidaten Emile Roemer planen ein Investitionsprogramm von drei Milliarden Euro, mit dessen Hilfe unter anderem die Kaufkraft der Niederländer gestärkt werden soll. Die Kosten der Krise wollen die Sozialisten umverteilen, das Land, so lautet ihr Credo, soll „sozialer“ werden. Nach jüngsten Umfragen können die Sozialisten damit rechnen, 26 der 150 Parlamentssitze zu erringen.

Auf ebenso viele Sitze können den Umfragen zufolge die Sozialdemokraten hoffen. Nachdem die Partij van de Arbeid (PvdA) durch die häufigen Kurswechsel der letzten Jahre in der Bevölkerung an Glaubwürdigkeit verloren hatte, machten die Sozialdemokraten zuletzt im Wahlkampf wieder Boden gut. Inzwischen scheint eine Koalition zwischen der rechtsliberale VVD, die auf 34 Mandate kommen könnte, den Sozialdemokraten und der linksliberalen Partei D66 möglich. Der sozialdemokratische Spitzenkandidat Diederik Samsom schloss am Montag eine Koalition mit den Rechtsliberalen nicht aus, allerdings wollte er sich auch nicht genau festlegen. „Wir wollen die größte Partei werden“, erklärte Samsom im niederländischen Radio.

Dass der Mitte des politischen Spektrums eine große Rolle zukommt, hat mit einer Besonderheit des niederländischen Wahlsystems zu tun. Durch die fehlende Fünf-Prozent-Hürde ist die parlamentarische Landschaft fragmentiert. Da kaum eine Partei Werte jenseits der 20 Prozent erreicht, wird die neue Koalition wohl aus mindestens drei Partnern bestehen. Für den Rechtsliberalen Rutte und den Sozialisten Roemer bedeutet dies, dass sie Wasser in ihren Wein gießen und ihren jeweiligen strikten Kurs abmildern müssen.

Trotzdem gingen die beiden im Wahlkampf auf Konfrontationskurs: Rutte, der erste Premier der VVD, kramte von Beginn an das verstaubte Klischee einer sozialistischen Gefahr hervor, die von der Partei Roemers ausgehe. Die Sozialisten waren vor genau 40 Jahren aus einer maoistischen Abspaltung der Kommunistischen Partei hervorgegangen. Dem Maoismus schwor die Partei rasch ab, im Laufe der Zeit trennte sie sich auch von Zielen wie der Abschaffung der Monarchie und dem Austritt aus der Nato.

Roemer, ein ehemaliger Lehrer mit äußerst bodenständigem Image, polemisiert wiederum seit Antreten Ruttes gegen das „rechteste Kabinett aller Zeiten“. Tatsächlich war die im April gescheiterte Minderheitskoalition aus VVD und Christdemokraten auf die Unterstützung der Rechtspopulisten angewiesen. Der radikalen PVV von Geert Wilders, inzwischen mit gesunkenen Umfragewerten, bescherte das einigen Einfluss auf die Migrationspolitik in Den Haag.

Eine wichtige Rolle spielt im niederländischen Krisenwahlkampf das Thema Europa. Emile Roemer hatte ebenso wie Geert Wilders angekündigt, ein mögliches Bußgeld der EU-Kommission wegen des Verstoßes gegen die Maastricht-Kriterien, die die erlaubte Neuverschuldung festlegen, zu ignorieren. Die Sozialisten stimmten im Mai auch gegen den geplanten dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM, Wilders geht in seiner Kampagne noch weiter: Der Rechtspopulist fordert den Austritt der Niederlande aus der EU und der Euro-Zone. Doch auch die VVD trägt der wachsenden Euro-Skepsis Rechnung: Die niederländischen Beiträge zum EU-Haushalt will sie beschränken und „überflüssige“ europäische Gesetzgebung aufheben.

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