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Niederlande: Zwangsbündnis übernimmt Regierung

"Gemeinsam arbeiten - gemeinsam leben" lautet das Motto der neuen Koalition unter Jan-Peter Balkende. Das Bündnis aus Christdemokraten, Sozialdemokraten und ChristenUnie nimmt heute seine Arbeit auf.

Den Haag - Neue Töne in Den Haag: Stand bislang für den konservativen Ministerpräsidenten Jan Peter Balkenende die Verantwortung des Einzelnen hoch im Kurs, so lautet das Zauberwort jetzt "Gemeinsamkeit".

In strahlender Wintersonne präsentierten sich Balkenende, PvdA-Chef Wouter Bos und André Rouvoet von der CU den Fotografen. Das war vor vier Jahren noch ganz anders. Damals versuchten Balkenende und Bos schon einmal, eine große Koalition zu bilden, gaben jedoch auf, weil zwischen ihnen "die Chemie nicht stimmte". Balkenende zimmerte daraufhin ein Mitte-Rechts-Bündnis, dessen Auseinanderfallen im vorigen Sommer zu vorgezogenen Wahlen führte.

Ende des Liberalisierungskurses

Dieses Mal, bei einem vertraulichen Treffen im Januar in Friesland, lief es besser. "Da sprang der Funken über", berichtete Rouvoet, der Dritte im Bunde. In der für niederländische Verhältnisse kurzen Verhandlungszeit von nur fünf Wochen schrieben die drei einen 53 Seiten starken Koalitionsvertrag nieder. Erkennbar mussten Balkenendes Christdemokraten (CDA) Federn lassen und Abstand nehmen von ihrer bisherigen, zum Teil rigorosen Politik sozialer Einschnitte und wirtschaftlicher Liberalisierung. Aber die PvdA war auch zu Kompromissen bereit, schließlich kann Balkenende nicht einfach kehrtmachen. Und die fromme CU, der die großzügigen Regeln zu Schwangerschaftsabbau und Sterbehilfe ein Gräuel sind, bestand nicht auf deren Abschaffung.

Doch wie sehr auch die drei Unterhändler Schulterschluss zeigten - ihre neue Einigkeit ist eher Zwangsbündnis als Traumkoalition. Denn die Wahl im November schüttelte die niederländischen Parteien kräftig durcheinander. Balkenendes CDA verlor ebenso wie sein rechtsliberaler Koalitionspartner VVD, der sich umgehend für die Oppositionsrolle entschied. Die PvdA mit Bos als Spitzenkandidat brach völlig ein. An ihrer Stelle triumphierten die Sozialisten (SP), die zur dritten Kraft wurden. Weder das rechte noch das linke Lager hatte eine Mehrheit, für eine große Koalition reichte es auch nicht - erst die CU half den beiden Großen aus der Not.

Starke und aggressive Opposition

Nun müssen sich diese drei Koalitionäre schon deshalb kräftig an den Händen halten, weil sie einer starken und vermutlich auch aggressiven Opposition gegenüberstehen. Auf der rechten Seite wird die manchmal geradezu ausländerfeindliche "Partei für die Freiheit" die neue Asyl- und Ausländerpolitikpolitik aufs Korn nehmen, die auf Druck der PvdA und auch der CU humaner werden soll. Hier hatte Balkenende in seiner rigorosen Ausländerministerin Rita Verdonk (VVD) bislang eine Art Blitzableiter zur Seite. Die Sozialisten wiederum werden sich die PvdA und Bos persönlich vorknöpfen - in der Hoffnung, dass ihnen deren Kompromissbereitschaft noch mehr linke Wähler in die Reihen treibt.

Der lange Zeit als farblos beschriebene Regierungschef Balkenende wiederum ist auch nicht gerade ein Garant für stabile Bündnisse. Es ist immerhin sein viertes Kabinett in fünf Jahren - alle seine vorherigen Regierungen gerieten durch Streit unter den beteiligen Parteien vorzeitig unter die Räder. (Von Thomas P. Spieker/dpa)

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