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© dpa

Niedersachsen: Gorleben als Antwort auf Morsleben

Wollte Niedersachsens Ministerpräsident Ernst Albrecht (CDU), als er Gorleben im Kreis Lüchow-Dannenberg im Jahr 1977 zur Überraschung vieler als Standort für ein Nukleares Entsorgungszentrum benannte, vor allem die DDR ärgern? Ja, sagt der Geologe Gerd Lüttig.

Albrecht wollte einen Standort in der Nähe der damaligen Zonengrenze haben, „weil die Ostzonalen uns die Geschichte mit ihrem Endlager Morsleben eingebrockt hatten“. Der emeritierte Professor Lüttig war damals mit der Suche nach Salzstöcken für ein Endlager beauftragt. Aus fachlichen Gründen war Gorleben demnach nur zweite Wahl.

Ein Salzstock bei Morsleben, das in Sachsen-Anhalt nah an der Landesgrenze zu Niedersachsen liegt, war das Atommüllendlager der DDR. Die Einlagerung von schwach und mittelradioaktiven Stoffen begann dort bereits 1971. Durch Gespräche mit ostdeutschen Kollegen hätten niedersächsische Geologen und die Landesregierung schon damals gewusst, dass Morsleben Defekte hatte , sagte Lüttig dem Tagesspiegel. Der Schacht sei technisch nicht in Ordnung gewesen und es habe Wasserzuflüsse gegeben. „Wir befürchteten immer, und das hat Herrn Albrecht auf die Palme gebracht, dass Morsleben eines Tages absaufen würde und radioaktive Wässer in Richtung Helmstedt fließen könnten.“ Der Ministerpräsident habe daraufhin erklärt, dann machen wir das auch.

Erst später habe Albrecht weitere Argumente für Gorleben hergeholt. „Er hat gesagt, der Landkreis sei ja dünn besiedelt, und er sei vom Landkreis angesprochen worden, man solle doch da etwas machen, es käme doch dem Landkreis zugute“, erinnert sich Lüttig. Das habe Albrecht dann immer stärker betont.

Lüttig erhielt nach eigenen Angaben 1972 von der Kewa, der von den Energieversorgern geschaffenen Firma für die Atommüllentsorgung, den Auftrag, alle in Norddeutschland liegenden Salzstöcke zu untersuchen. Er war zudem Mitglied des Expertengremiums unter Carl Friedrich von Weizsäcker, das die niedersächsische Landesregierung in Energiefragen beriet. Nachdem Albrecht mit seiner Auswahl des Standortes Gorleben vorgeprescht sei, habe sich die Kommission sang- und klanglos aufgelöst.

Rund 100 der knapp 300 norddeutschen Salzstöcke wurden damals von Lüttig und seinen Kollegen geprüft. Acht, darunter auch Gorleben, seien in die engere Auswahl genommen worden. Unter den drei schließlich zur näheren Erkundung vorgeschlagenen Salzstöcken sei Gorleben aber nicht mehr gewesen. „Gorleben erschien uns als nur bedingt geeignet“, sagte der Geologe. „Es wurde genannt, weil es ein relativ großer Salzstock ist.“

Lüttig war in den 70er Jahren Vizepräsident des niedersächsischen Amtes für Bodenkunde sowie der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe. Die Ämter hätten ihn für die Endlagersuche freigestellt. 1980 wechselte er an die Universität Erlangen. Die Geschehnisse rund um Gorleben hat der heute 82-Jährige weiter verfolgt. Nach Albrechts Entscheidung wurde der Salzstock bis zum Inkrafttreten eines Moratoriums im Jahr 2000 auf seine Eignung als Endlager untersucht. Lüttig sagte, er halte Gorleben so, wie es sich bislang darstellt, durchaus für geeignet.

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