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Vertrackte Situation. Der Fraktionsvorsitzende der CDU in Nordrhein-Westfalen, Karl-Josef Laumann, Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) und die Grünen-Ministerin Sylvia Löhrmann (li.) im Landtag. Streit entzündet sich am Etat.

© dpa

Nordrhein-Westfalen: Das Gespenst Neuwahlen ist wieder da

Am Mittwoch entscheidet der nordrhein-westfälische Landtag über den neuen Haushalt, der eine Neuverschuldung von 4,8 Milliarden Euro vorsieht. Die Opposition will Klage einreichen und das könnte Folgen haben - die sie selbst fürchten.

Oliver Wittke hat Schwierigkeiten mit seiner Urlaubsplanung. Inzwischen ist der neue Generalsekretär der nordrhein- westfälischen CDU – mindestens – bei der dritten Variante seiner Überlegungen für den Sommer angekommen. Wer ihn heute fragt, ob er eine Auszeit in Südtirol wirklich nehmen wird, erntet einen unsicheren Blick und die Antwort: „Ich weiß es nicht, vielleicht werde ich in Düsseldorf gebraucht.“ Wittke könnte am Ende gezwungen sein, den Wahlkampf im bevölkerungsreichsten Bundesland für seine Truppe zu planen, obwohl weder er noch sein Vorsitzender Norbert Röttgen den neuerlichen Urnengang wollten. „Wir haben nicht die Situation, dass es einen Grund für Neuwahlen gibt“, hatte Röttgen vor wenigen Tagen in Düsseldorf gesagt und anschließend klargemacht, dass er als Bundesumweltminister so große Aufgaben bewältigen muss, dass sie den ganzen Mann erfordern und er daneben keine Zeit für eine unpassende Wahl an Rhein und Ruhr habe.

Dass das Neuwahlgespenst inzwischen wieder über dem Düsseldorfer Landtag schwebt, hat nicht unwesentlich mit der gespaltenen CDU zu tun. Die Landtagsfraktion intoniert die Neuwahlfrage erkennbar anders als der Parteichef und sein General. Um den Konflikt nicht offen zu zeigen, redet man im Düsseldorfer Parlament im Übrigen nicht von Neuwahlen, man spielt stattdessen mit einer Klage gegen den Landeshaushalt. Seit feststeht, dass die Linke der rot-grünen Minderheitsregierung an diesem Mittwoch durch Stimmenthaltung über die Hürde helfen und den Etat mit einer Neuverschuldung von 4,8 Milliarden zu einer Mehrheit verhelfen wird, wird in der CDU neu nachgedacht. Vor allem der parlamentarische Geschäftsführer Armin Laschet wirbt für eine Klage. Ihn stört nicht, dass er bei diesem Schritt mit Neuwahlen rechnen muss – weil er sich selbst bei einer zu erwartenden Niederlage ausrechnet, befördert zu werden. Laschet hat die Hoffnung, dann mit Verspätung doch noch Fraktionschef zu werden; im vergangenen Jahr hatte er zunächst gegen Norbert Röttgen beim Parteivorsitz das Nachsehen, anschließend gewann Karl Josef Laumann den Posten des Fraktionschefs ganz knapp gegen ihn.

Für die weitere Karriereplanung von Laschet spielt Norbert Römer eine wichtige Rolle. Der sozialdemokratische Fraktionschef hatte im Frühjahr die eindeutige Parole ausgegeben: „Wenn die CDU klagt, beantragen wir Neuwahlen.“ Mit diesem Schritt wollte man die Auseinandersetzung um den Haushalt und die Schulden wieder in die politische Arena zurückholen. Die Drohung wirkte, zumal die CDU nach der japanischen Atomkatastrophe sicher sein konnte, in der Wählergunst eher zu verlieren und die FDP damit rechnen muss, ähnlich wie die Linke an der Fünfprozenthürde zu scheitern. Die gute Konjunktur und die sprudelnden Steuereinnahmen waren im Übrigen Ursache dafür, dass der NRW-Haushalt nur noch knapp 900 Millionen über der Verfassungsgrenze lag. Die CDU versuchte eine neue Melodie. „Wir haben sie zum Sparen getrieben“, hieß es seither.

Dass man aber angesichts der knappen Milliarde Neuverschuldung über der Verfassungsgrenze nicht würde lange warten können mit einer Klage, ohne sich vollständig unglaubwürdig zu machen, dämmert inzwischen auch der CDU. Also verständigte man sich jetzt in zahlreichen Gesprächen zwischen Fraktionären und Parteichef Röttgen auf eine neue Variante. Die CDU will gegen den Haushalt klagen, aber im Gegensatz zum Nachtragshaushalt Ende vorigen Jahres keine einstweilige Verfügung erwirken. Das Gericht wird also prüfen und in zwei Jahren entscheiden – was für Rot-Grün selbst bei einem zu erwartenden negativen Spruch weitgehend folgenlos wäre. „Ich sehe die Klage politisch“, sagt Fraktionschef Laumann zur Begründung. Die SPD nimmt das zur Kenntnis und erinnert sich jetzt auch nicht mehr daran, dass man bei einer Klage sofort Neuwahlen ausrufen wollte. Allenfalls die Grünen bleiben bei ihrer Haltung: In ihren Reihen gibt es nicht wenige, die wünschen sich ein neues Votum. Weil man ihnen das angesichts der guten Umfragewerte als allzu opportunistisch auslegen kann, sagen sie es allerdings nur noch hinter vorgehaltener Hand.

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