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Politik: Nostalgie West

Der Entwurf für das neue PDS-Programm liegt nun vor. Parteichef Bisky findet einiges Bewahrenswerte in der Bundesrepublik

Von Matthias Meisner

Jetzt wird es ernst für die Reformer in der PDS. An diesem Montag soll der Parteivorstand die Vorlage für ein neues Grundsatzprogramm beschließen, das die derzeit geltende Fassung aus dem Jahre 1993 ablösen soll. Mit dem Demokratie-Kurs soll die Partei, so erhofft sich Chef Lothar Bisky, die Chance auf einen Aufschwung bekommen.

Dort, wo sich gewaltige Widerstände der Basis abzeichneten, geht die Parteiführung auf murrende Genossen zu, vornehmlich auf jene aus der älteren Generation, die sich an Einschätzungen zur SED gestoßen hatten. Noch im Entwurf vom Februar hatte es geheißen, die SED habe die „Missachtung von Demokratie und politischen Freiheitsrechten (…) praktiziert“, nun heißt es zurückhaltender, dass eine solche Entwicklung „in der SED anzutreffen war“. Und auch die Selbstkritik, wonach die SED-Politik von „unentschuldbaren Verbrechen“ gekennzeichnet sei, wurde vorsichtig relativiert. Das Wort „unentschuldbar“ ist weggefallen.

Doch weitgehend hält sich die Führung an die im Februar von der früheren Parteichefin Gabi Zimmer vorgelegte Fassung – die Reformer hatten intern appelliert, der Entwurf dürfe „nicht schon im Vorfeld weichgeraspelt werden“. Unmissverständlich will sich die Partei vom Ziel einer staatssozialistischen Gesellschaft verabschieden und unternehmerisches Handeln und Gewinninteressen akzeptieren. Außerdem bekennt sich die PDS – sollte der Entwurf auf dem Bundesparteitag im Oktober in Chemnitz eine Mehrheit finden – zu den Grundwerten des Grundgesetzes und der Gewaltfreiheit.

Zur Frage der Sicherheitspolitik warnt PDS-Sprecher Hendrik Thalheim vor der Schlussfolgerung, die Partei könnte ihren Antikriegskurs verändern. Im Programmentwurf wird vor einer Schwächung der UN gewarnt. Interpretationen, wonach die PDS Friedenseinsätze der internationalen Staatengemeinschaft nicht mehr prinzipiell ablehnt, „entbehren der Grundlage im Text“, sagte Thalheim dem Tagesspiegel. In dieser Frage waren die Reformer 2000 auf dem Parteitag in Münster unterlegen – Gregor Gysi zog sich deshalb damals aus der Führung zurück.

Für Bisky wird die Abstimmung über das Programm, gut 100 Tage nach seiner Wahl, zur Nagelprobe für seinen Modernisierungskurs. Sollte er mit dem Entwurf durchfallen, ist sein Rückzug absehbar. Vor Tagen bereits sagte der Parteichef, er nehme für die von ihm gewünschte Grundausrichtung der Partei auch Mitgliederaustritte in Kauf. Und forderte, die PDS müsse nach 13 Jahren deutscher Einheit akzeptieren, dass die Bundesrepublik das System sei, in dem man Politik mache, um es zu verändern. Bisky fügte in der „Süddeutschen Zeitung“ hinzu, in der Bundesrepublik gebe es neben vielen Fehlentwicklungen durchaus Bewahrenswertes. „Dazu zähle ich das Grundgesetz, das parlamentarische System und die Gewaltenteilung.“

Doch auch die Gegner des Reformkurses werden lauter. In den Leserbriefspalten des „Neuen Deutschlands“ polemisieren Genossen gegen Biskys Kurs einer – so ein Vorwurf – „konzipierten Anpassungspolitik“. Leseprobe: „Es geht um die Schaffung einer lustvollen Fangemeinde, die ohne Tabus, jedoch fest auf dem Boden des realen Kapitalismus, Spaß an der Demokratie entwickelt. Und wem es nicht passt, der darf austreten. Gott ja, warum eigentlich nicht?“

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