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Politik: Notausgang gesucht

Statt „so lange wie nötig“ im Irak zu bleiben, diskutieren Amerikaner und Briten Wege des Rückzugs

Ein Wort macht die Runde in britischen und amerikanischen Ministerien: „Exit Strategy“, Strategie für den Abzug. Nur Stunden, nachdem Labours Irakdissident und Ex-Außenminister Robin Cook im britischen Fernsehen gefordert hatte, mit den Planungen für den Rückzug aus dem Irak zu beginnen, bestätigte die Downing Street den Sinneswandel – der sich vorerst freilich in einer subtilen Veränderung der Wortwahl äußert. Bush und Blair wollten die Machtübergabe an die irakische Übergangsregierung am 1. Juli „beschleunigen“, ließ die Regierung in London verlauten. Dazu gehöre vor allem mehr Nachdruck beim Aufbau einer irakischen Armee, einer Polizei, einer Zivilverteidigung und eines neuen irakischen Geheimdienstes.

Die nicht abreißende Serie von Anschlägen im Irak, der wachsende Widerstand gegen die Besatzungsmächte, dramatisch einbrechende Popularitätsquoten für US-Präsident George W. Bush und Tony Blair und offene Spekulationen über einen möglichen Sturz Blairs sind offenbar nicht ohne Wirkung geblieben. Bisher hatte London darauf beharrt, man bleibe „so lange wie nötig" und sprach von einem Zeitrahmen von mindestens zwei bis drei Jahren. Nun will man „so bald wie möglich“ abzuziehen. Auch britische Generäle sehen die Lage offenbar immer düsterer. Die Zeitung „Telegraph“ berichtete über einen vom Hauptquartier in Basra entwickelten Evakuierungsplan für die britischen Truppen. Im Verteidigungsministerium liege der Planungsakzent nicht mehr auf einem „strategischen Erfolg“ im Irak, sondern auf der Vermeidung einer „strategischen Niederlage“.

Teil der neuen Strategie ist eine neue UN-Resolution, die Amerikaner und Briten in zwei Wochen vorlegen wollen. Die Briten wollen auch, dass die Übergangsregierung die Verantwortung für die Gefängnisse übernimmt. Signale für den Strategiewechsel gab es bereits in der vergangenen Woche, als die Koalitionäre beteuerten, sie würden den Irak verlassen, wenn die künftige Übergangsregierung sie dazu auffordere. Allerdings teilt London die Auffassung von US-Außenminister Colin Powell, dass es dazu nicht kommen wird. Powell sagte auch, die USA würden bei den für nächstes Jahr geplanten irakischen Wahlen „jedes Ergebnis“ akzeptieren – also auch einen Sieg fundamentalistischer Gruppierungen. Damit scheint erstmals auch ein islamischer Gottesstaat nach iranischem Vorbild möglich.

Blair steht in seiner Labour-Partei angesichts der aktuellen Entwicklungen im Irak unter Druck wie nie. Er ließ verbreiten, er werde erst abtreten, wenn die Krise gelöst sei. Entspannung ist indes nicht in Sicht. Im Gegenteil: Die Regierung muss schon bald über die Entsendung von mindestens 3000 zusätzlichen Soldaten in den Irak entscheiden.

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