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Politik: NS-Zwangsarbeiter-Entschädigung: "Die Schonzeit ist vorbei" - Warum der Grüne Volker Beck die deutschen Firmen kritisiert (Interview)

Volker Beck ist rechtspolitischer Sprecher der Grünen. Seit Jahren kämpft er für die NS-Entschädigung.

Volker Beck ist rechtspolitischer Sprecher der Grünen. Seit Jahren kämpft er für die NS-Entschädigung.

Herr Beck, 42 CDU-Abgeordnete haben gegen das Entschädigungsgesetz gestimmt. Sie begründen ihre Ablehnung mit dem nicht ausreichenden Rechtsschutz für deutsche Firmen. Haben sie Recht?

Nein. Wir haben eine belastbare Lösung mit den USA gefunden. Wenn die Klagen zurückgezogen werden, wird sich zeigen, ob auch die Anwälte Wort halten. Denn die Klagerücknahme in diesen Fällen ist die Voraussetzung für die Rechtssicherheit - und damit dafür, dass Geld fließt. Also: Das Abkommen wird funktionieren. Aber 100-prozentigen Schutz vor Klagen gibt es in keinem Rechtsstaat.

Anwalt Michael Witti hat bereits angedroht, dass die Klagen in den USA zum Teil aufrechterhalten werden...

Herr Witti hat offenbar ein Interesse, dass die Opfer kein Geld bekommen. Womöglich geht es ihm und seinen Kollegen auch um die Anwaltsgebühren. Die Stiftung ist so angelegt, dass alle Opfergruppen eine angemessene Entschädigung erhalten. Und es wird nicht mehr Geld geben, sondern allenfalls später ausgezahlt werden, wenn hier weiter herumgenölt wird.

Trotz des versprochenen Schutzes vor Klagen in den USA wollen viele deutsche Unternehmen nicht in den Fonds zahlen. Warum?

Das ist in der Tat ein Skandal, und ich habe deshalb im Parlament auch namentlich eine Reihe von Unternehmen wie Haribo und Edeka aufgefordert, endlich zu zahlen. Man muss sich schon fragen, warum diese renommierten Firmen ihrer historischen Verpflichtungen nicht nachkommen, obwohl sie vor 1945 gegründet wurden und praktisch alle Unternehmen in dieser Zeit Zwangsarbeiter beschäftigt haben.

Appelle, zu zahlen, gab es viele...

Ja, aber bislang haben wir die Unternehmen, die sich wegducken, nicht namentlich genannt. Diese Zeit der Vornehmheit ist jetzt vorbei. Der Rechtsschutz für die Betriebe tritt nur ein, wenn die versprochenen fünf Milliarden Mark da sind. Vorher nicht.

Sollten die Unternehmen zu Entschädigungszahlungen per Gesetz gezwungen werden?

Das wäre kein schöner Weg. Ich vertraue darauf, dass die Gründungsunternehmen der Stiftungsinitiative ihre Anstrengungen erhöhen, das Geld zusammenzubekommen. Vielleicht sollte man mal transparent machen, welches Unternehmen wie viel in den Fonds einzahlt - unter Berücksichtigung des jährlichen Umsatzes und der Zahl der Zwangsarbeiter, die beschäftigt wurden. Da ist sicherlich nicht alles im Lot.

Am Donnerstag ist das Entschädigungsgesetz verabschiedet worden, am selben Tag ist auch das Holocaust-Mahnmal auf den Weg gebracht worden. Ist jetzt Schluss mit der Debatte über die NS-Vergangenheit?

Nein, aber sie tritt eine neue Phase ein. Wir wissen, dass die Erlebnisgeneration auf Opfer- wie auf Täterseite abtritt. Deshalb brauchen wir eine neue Erinnerungskultur, und deshalb haben wir uns auch für das Mahnmal entschieden. Allerdings ist dies kein Schlussstrich - im Gegenteil. Zwangsarbeit war NS-Unrecht - das hat die Bundesrepublik lange geleugnet. Deshalb war dieser Donnerstag ein Wendepunkt im Geschichtsverständnis dieser Republik. Denn wir haben uns mit einer humanitären Geste bei den Opfern entschuldigt. Aber es gibt auch bei der Entschädigung noch offene Fragen. Der Koalitionsvertrag sieht eine Stiftung zur Entschädigung von NS-Unrecht für die so genannten vergessenen NS-Opfer. Da sind wir also auch noch nicht am Ende.

Herr Beck[42 CDU-Abgeordnete haben gegen das Ents]

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