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Politik: Nur ein Einzelfall?

In Großbritannien wird angesichts der Folterbilder eine umfassende Untersuchung gefordert

Sind die im Osnabrücker Misshandlungsprozess gegen drei britische Soldaten erhobenen Vorwürfe nur die Spitze des Eisbergs? In Großbritannien mehren sich Stimmen, die eine umfassendere Untersuchung der Missbrauchsvorwürfe gegen die britische Invasionsarmee im Irak fordern. Hinterbänkler der Labour-Partei und Zeitungen fragen bereits, warum in Osnabrück nur drei einfache Soldaten und nicht ihre Kommandeure auf der Anklagebank sitzen. „Es ist ein Skandal, der an Abu Ghraib erinnert. Dort wurden auch nur untere Ränge zur Verantwortung gezogen“, sagte ein ehemaliger Staatsminister des britischen Verteidigungsministeriums, Peter Petze, der Zeitung „The Independent“.

Die Frage ist vor allem, wie weit sich die in Osnabrück derzeit verhandelten Vorgänge auf die Operation gegen Plünderer am 15. Mai 2003 beschränken, dem Tag, an dem die 22 veröffentlichten „Folterfotos“ aufgenommen wurden. Die Aussage des Rechtsexperten der britischen Armee, Oberstleutnant Nicholas Mercer, im Osnabrücker Prozess machte die Öffentlichkeit hellhörig. Er sprach von Beweisen „verbreiteter Misshandlungen“, die ihn veranlasst hätten, am 20. Mai 2003 erneut alle Soldaten daran zu erinnern, dass Gefangene „zu jedem Zeitpunkt mit Humanität und Würde“ behandelt werden müssten.

Alle Soldaten hätten gewusst, dass es falsch und rechtswidrig sei, Gefangene zu misshandeln und zu fotografieren, sagte Mercer. Doch Zweifel wurden laut, ob die britischen Soldaten in den legalen Aspekten der Kriegsführung genügend geschult waren. Alle drei Angeklagten in Osnabrück hatten zwar die nötigen Kurse besucht. Da der Einsatzbefehl für den Krieg bis zuletzt aber geheim gehalten wurde, war diese Schulung „stark komprimiert“, wie es heißt.

In Osnabrück wurde das Militärtribunal gegen die drei Soldaten am Donnerstag vorübergehend suspendiert, um Verfahrensfragen zu diskutieren. Dabei ging es auch um die Aussage des Kommandeurs von Camp Breadbasket, Dan Taylor. Der Verteidiger eines der Angeklagten hatte Taylor vorgeworfen, praktisch selbst den Befehl für die nun umstrittenen Vorgänge gegeben zu haben.

Taylor und seine Soldaten waren für die Sicherung der humanitären Hilfsgüter im Versorgungslager Camp Breadbasket verantwortlich, als Mitte Mai 2003 eine Plünderungswelle den Irak überzog. Angesichts „psychotischer und epidemischer“ Plünderungen, wie Rechtsoffizier Mercer im Prozess sie nannte, gab Taylor den Befehl, möglichst viele Plünderer festzunehmen und sie zur Abschreckung „hart ranzunehmen“.

Die Fotos vom 15. Mai wurden zwei Wochen später bereits im englischen Tamworth in Staffordshire zum Entwickeln gegeben. Eine Fotolaborantin rief die Polizei. Die „Special Investigations Branch“ der Armee nahm Ermittlungen auf – eines von insgesamt 160 Ermittlungsverfahren wegen möglicher britischer Übergriffe im Irak. Aber erst als der „Mirror“ im Mai 2004 seine, wie sich dann herausstellte, gefälschten Fotos von britischen Misshandlungen veröffentlichte, wurde die Beschlagnahmung der Fotos in Staffordshire publik. Oberbefehlshaber Michael Jackson sagte damals, „wir kämpfen mit den Amerikanern, aber nicht wie die Amerikaner“. Nun versicherte er, die Armee werde sorgfältig ihre Lehren aus dem Prozess ziehen.

Bei der Explosion einer Autobombe nahe einer britischen Militärbasis im Süden des Irak sind am Donnerstag mehrere Iraker verletzt worden. Ein Wagen sei auf das Haupttor des Stützpunkts in Al Schueiba nahe Basra zugefahren, von den Briten abgedrängt worden und dann explodiert, sagte ein Augenzeuge.

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